Zu den anstehenden Parteitagen von SPD und Grünen erklärt Markus Beckedahl, Vorsitzender des Digitale Gesellschaft e.V.:

„Wir sehen mit großem Bedauern, wie zwei der Oppositionsparteien sich netzpolitisch auf Schlingerkurs begeben. Im Vorfeld der Parteitage gab es gute Anträge, die auf Fortschritte sowohl beim Thema Datenschutz (SPD) als auch beim Thema Urheberrecht (Grüne) haben hoffen lassen. Beide stehen nun unter Beschuss: bei der SPD durch die Parteiführung, bei den Grünen vor allem durch Lobbyisten, die zugleich auch Parteimitglieder sind. Das ist sehr bedauerlich, da beide Parteien Gefahr laufen, ihre netzpolitische Glaubwürdigkeit zu verspielen.“

Zum Parteitag der Grünen, der Bundesdelegiertenkonferenz am 25.-27.11.2011 in Kiel, hatte der Bundesvorstand der Partei einen Antrag vorgelegt, der eine umfassende Positionierung der Partei bei der Netzpolitik festlegen sollte (Antrag D-02). Dieser schlägt unter anderem vor, das Urheberrecht grundsätzlich auf fünf Jahre zu beschränken und es danach nur bei aktiver Verlängerung weitergelten zu lassen. „Dieser innovative Ansatz würde das Problem der Verwaisung von Werken, deren Urheber nicht bekannt oder nicht mehr ermittelbar sind und der schier unendlichen Geltung des Urheberrechtsschutzes einschränken und der Allgemeinheit dienen“, erklärt Markus Beckedahl. „Es ist befremdlich, dass solche Ansätze inzwischen von der Parteispitze kommen, aber unter anderem von Lobbyisten der Rechteindustrie, die sich als Basis tarnen, durch harmlos scheinende Änderungsanträge komplett entkernt werden.“

Zum Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der vom 04.-06.12.2011 in Berlin stattfindet, hatten verschiedene Gliederungen der SPD Anträge eingereicht, die eine klare Ablehnung der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung beinhaltet haben. Die Antragskommission der SPD hat diese Anträge nicht zur Tagesordnung zugelassen und stattessen einen gegenteiligen Antrag, der die Vorratsdatenspeicherung befürwortet in das Programm aufgenommen. „Die Organisatoren aus der Parteispitze haben offenbar Angst davor, von ihrer eigenen Basis Gegenwind zu bekommen und demokratisch über die Parteiposition abstimmen zu lassen“, erklärt Markus Beckedahl. „Es zeigt den bedauernswerten Zustand innerhalb der SPD, dass mit solchen politischen Taschenspielertricks ernsthafte inhaltliche Debatten umgangen werden, weil man die offene Diskussion und damit auch eine mögliche Niederlage scheut.“

3 Meinungen zu “Oppositionsparteien auf netzpolitischem Schlingerkurs

  1. Rainer Bode sagt:

    Hallo Markus, ich hatte angenommen, man kann mit dir vernünftig über Netzpolitik reden. Scheinbar doch nicht. Nimmst du eigentlich zu Kenntnis, welche Debatten da laufen und wer da diskutiert? Sind alle, auch die KünstlerInnen selber noch einfach Lobbyisten? Ich teile nicht die Hysterie mancher aus dem Kulturbereich und schon weniger die Aussagen diverser Lobbyverbände. Aber das ist doch nicht unsere Diskussion. Diese 5 Jahre Forderung hat seine Geschichte und es ist sinnvoll, diese Forderung für lebende KünstlerInnen zu begraben. Über die Schutzfristen von 70 Jahren nach dem Tod muß man reden. Aber differenzierter und nicht so platt. Was macht ihr eigentlich in der Enquete-Kommission?

  2. Jürgen Bischoff sagt:

    Lieber Markus,

    Ich finde es sehr bedauerlich, wie du die äußerst kontroverse Diskussion um den Antrag als ein von der Rechteindustrie gesteuertes Verfahren diffamierst und so tust, als wäre ein vom Bundesvorstand eingebrachter Antrag sakrosankt.

    Mir scheint es allmählich so, dass die netzpolitischen Aktivisten Muffensausen kriegen, weil sie begreifen, dass alle ihre schönen Ideen doch nicht von so vielen Leuten geteilt werden. Jetzt wird mit vollkommen unsachlichen Argumenten („Lobbyisten der Rechteindustrie, die sich als Basis tarnen“) blindwütig um sich geschlagen. Dachte immer, du hättest mehr Niveau.

    In anderen einschlägigen netzpolitischen Foren wird generell unterstellt, dass die Politik komplett korrumpiert ist und jetzt auch die Grünen auf der Payroll der „Rechteindustrie“ stehen und man sie deshalb nicht mehr ernst nehmen könne. Was ist denn das für ein Politikverständnis?

    Ich jedenfalls verwehre mich strikt dagegen auf diese Art und Weise als nützlicher Idiot der Rechteindustrie diffamiert zu werden. Ich habe den einen Änderungsantrag mit unterzeichnet und den anderen aus wohl abgewogenen Gründen nicht mit unterzeichnet. Ich habe immer noch einen eigenen Kopf zum denken und als Medienpolitiker eine andere Sicht der Dinge auf die realen Umsetzbarkeiten, als die Netz- oder Kulturpolitiker. Da muss diskutiert und nicht diffamiert werden.

    Komm mal wieder runter auf den Teppich und nimm zur Kenntnis, dass Netzpolitik noch nicht die Definitionshoheit über den Diskurs gewonnen hat (und sie im Sinne von lebendiger Demokratie hoffentlich auch nie gewinnen wird).

    Schöne Grüße

    Jürgen

    • Kristian sagt:

      Bitte selbst nicht so blindwütig verallgemeinern. Ich habe weder Muffensausen, noch verallgemeinere ich blindwütig.

      Und Netzpolitik beansprucht auch nicht die Definitionshoheit. Sieh dir doch einfach mal den Verlauf der meisten Diskussionen an.

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