Der Digitale Gesellschaft e.V. stellt der Studie „Vergleich von Modellen zur Versendung von Warnhinweisen durch Internet-Zugangsanbieter an Nutzer bei Urheberrechtsverletzungen“ des Bundeswirtschaftsministeriums einen Schattenbericht zur Seite. Darin wird deutlich, dass repressive Maßnahmen, wie sie in anderen Ländern durchgeführt werden, gefährlich und unverhältnismäßig sind sowie am eigentlichen Problem vorbei gehen.

Der Schattenbericht ist hier als PDF erhältlich. Ein Beipackzettel warnt vor den Risiken und Nebenwirkungen. Eine Kurzversion des Beipackszettel gibt es als PNG-Grafik.

Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Hans-Joachim Otto hat angekündigt, dass man noch im ersten Halbjahr 2012 eine Entscheidung herbeiführen wolle. Markus Beckedahl, Vorsitzender des Digitale Gesellschaft e.V., erklärt dazu: „Die Einführung einer Warnmodell-Infrastruktur ist vollkommen unsinnig und schafft eine gefährliche Privatisierung der Rechtsdurchsetzung. Internetanbieter und Hoster werden damit gleichzeitig zu Richtern und Hilfspolizisten in Personalunion gemacht. Diese Maßnahme durchbricht ein ehernes Prinzip: der Internetanbieter ist nicht für die transportierten Inhalte haftbar und soll sich ausdrücklich nicht um diese kümmern. Die Post schickt Ihnen auch keinen Warnbrief, wenn Sie eine Kopie eines Zeitungsartikels verschicken.“ Tatsächlich können bereits heute die Rechteinhaber Warnungen oder kostengedeckelte Abmahnungen in einfach gelagerten Fällen an Nutzer schicken. „Dass dies nicht stattfindet, ist nicht den Nutzern anzulasten“, sagt Beckedahl. „Offensichtlich haben die Rechteinhaber daran überhaupt kein Interesse.“

Im Schattenbericht des Digitale Gesellschaft e.V. wird deutlich: Existierende Warnmodelle in anderen europäischen Staaten zeigen, dass die Maßnahme erhebliche grund- und datenschutzrechtliche Probleme aufwirft. Das System in Irland wurde aufgrund dieser Bedenken sowie Beanstandungen durch den Datenschutzbeauftragten wieder eingestellt. Auch die EU-Kommission hatte in der Vergangenheit immer wieder betont, dass Internetprovider keinen Einblick in die Inhalte der von ihnen transportierten Daten nehmen dürfen.

Zudem sind solche Systeme fehlerbehaftet. Private Firmen ermitteln IP-Adressen in Filesharing-Netzwerken, um die Inhaber dieser Adressen zu verwarnen. Doch die bloße Anwesenheit im Filesharing-Netz bedeutet noch keine begangene Urheberrechtsverletzung. Auch ist der Inhaber eines Internet-Anschlusses nicht automatisch der Benutzer hinter einer IP-Adresse. In anderen Staaten sind dutzende Fälle bekannt geworden, bei denen Unschuldige zu Unrecht verwarnt wurden.

Ein einmal eingeführtes System von Warnhinweis wird bei Warnungen nicht Halt machen. Auch drakonische Strafen bei wiederholten Urheberrechtsverletzungen stehen immer wieder im Raum, vor allem die Drosselung oder Abschaltung des Internet-Anschlusses. Dazu erklärt Markus Beckedahl: „Warnhinweise und Strafen sind vom selben Geist wie die auf Eis gelegte US-Gesetzgebung SOPA und und das ACTA-Abkommen geprägt: Statt Nutzer zu bestrafen, sollte die Energie lieber in den Aufbau von niedrischwelligen und attraktiven Angebote gelegt werden. Derartige Maßnahmen lösen kein einziges der heutigen Probleme des Urheberrechts.“ Warnhinweise hätten für Wirtschaft und Nutzer erhebliche Kosten zur Folge, die besser in legale Online-Angebote der Musik-, Buch- und Filmindustrie investiert würden. 

Der Digitale Gesellschaft e.V. hat zusammen mit dem Wikimedia Deutschland e.V. und der Open Knowledge Foundation Deutschland Ideen für ein modernes Urheberrecht skizziert.

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