Die Vorratsdatenspeicherung macht 80 Millionen Menschen in Deutschland anlasslos zu Verdächtigen.
Am 8. April 2014 hat der Europäische Gerichtshof die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt. Damit ist ein wichtiger Etappensieg errungen, um die anlasslose Massenspeicherung aller Verbindungsdaten der elektronischen Kommunikation in Europa zu verhindern. Gänzlich vom Tisch ist das Vorhaben damit aber noch nicht.
Die Bundesregierung hält trotzdem weiterhin an dem Ziel fest, die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland einzuführen. Außerdem besteht für die EU-Kommission die Möglichkeit, einen veränderten Richtlinienentwurf vorzulegen. Um die Vorratsdatenspeicherung sowohl in Deutschland als auch EU-weit endgültig zu beerdigen, muss die Zivilgesellschaft den Verantwortlichen in Berlin und Brüssel weiterhin unmissverständlich klar machen, dass sie die Vollprotokollierung des gesamten elektronischen Kommunikationsverkehrs nicht akzeptiert.
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Die Vorratsdatenspeicherung macht 80 Millionen Menschen in Deutschland anlasslos zu Verdächtigen. Ohne dass ihr Nutzen nachweisbar wäre, setzt sie unsere persönlichsten Daten einer hohen Missbrauchsgefahr aus und begründet zugleich eine Kontrollarchitektur, aus der es kein Entrinnen gibt. Sie ist der nächste große Schritt in Richtung eines totalitären Überwachungsstaats.
Warum das so ist und was Du gemeinsam mit uns dagegen tun kannst, erfährst Du im Folgenden.
WAS IST VORRATSDATENSPEICHERUNG?
Im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung sollen Telekommunikationsprovider gesetzlich verpflichtet werden, sämtliche Verbindungs- und Standortdaten der Email- und Telefon-Kommunikation ohne konkreten Anlass über mehrere Monate hinweg aufzubewahren. Wer, wann, wo und wie lange mit wem telefoniert hat, soll dabei ebenso protokolliert werden wie Absender, Adressat, Zeitpunkt und Betreff von versendeten Emails. Polizei und Staatsanwaltschaft sollen die Möglichkeit bekommen, auf diesen Datenbestand zuzugreifen, um schwere Straftaten zu verfolgen und zu verhindern.
WO LIEGEN DIE GEFAHREN?
Mit der Vorratsdatenspeicherung werden die strukturellen Voraussetzungen für eine total überwachte Gesellschaft geschaffen. Sie bedroht nicht nur die Privatssphäre und die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten, sie untergräbt auch den vom Grundgesetz garantierten freiheitlichen Charakter unseres Gemeinwesens.
Welche Gefahren im Einzelnen mit der anlasslosen und flächendeckenden Datenbevorratung verbunden sind, haben nicht zuletzt die Papiere aus dem Snowden-Fundus deutlich gemacht. Verbindungs- und Standortdaten erlauben es, Profile über die soziale Vernetzung einer Person, ihre Lebensgewohnheiten und ihre Aufenthaltsorte zu erstellen und ihr künftiges Verhalten antezipierbar zu machen. So haben auch Forscher der Stanford-Universität kürzlich im Rahmen einer Studie zur Aussagekraft von Verbindungsdaten gezeigt, dass daraus mit hoher Verlässlichkeit auf medizinische, finanzielle oder rechtliche Probleme sowie politische und religiöse Ansichten einer Person geschlossen werden kann. Bereits das Bewusstsein um das Bestehen einer solch tiefgreifenden Überwachungsarchitektur wird viele Menschen dazu veranlassen, mit bestimmten anderen Menschen im Zweifel nicht zu kommunizieren, bestimmte Orte nicht aufzusuchen und von ihren grundgesetzlich garantierten Freiheiten keinen Gebrauch zu machen.
Die Vorratsdatenspeicherung befördert auf diese Weise konformistisches Verhalten und ebnet den Weg in eine Einheitsgesellschaft.
Die für ein vertrauensvolles Miteinander und für den demokratischen Prozess besonders wichtigen Verschwiegenheitspflichten werden durch die Vorratsdatenspeicherung nachhaltig entwertet. Anhand der Verbindungsdaten lässt sich nachvollziehen, wann, wo und wie lange eine Person sich etwa mit Anwälten, Ärzten oder Geistlichen unterhält. Da diese Daten zudem Rückschlüsse auf die Inhalte solcher Gespräche erlauben, berührt die Vorratsdatenspeicherung den Wesenskern dieser Vertrauensverhältnisse. Gleiches gilt für den journalistischen Quellenschutz. Seine Funktion als vierte Gewalt in einem demokratisch verfassten Staat kann der Journalismus nur dann erfüllen, wenn für Informanten und Whistleblower beim Kontakt mit Journalisten die Gewissheit besteht, dass sie nicht enttarnt werden.
Die Vorratsdatenspeicherung tangiert damit nicht nur das Grundrecht der Pressefreiheit, sondern das demokratische Gefüge der Bundesrepublik insgesamt.
Die anlasslose Anhäufung von Verbindungsdaten wird darüber hinaus weitere Begehrlichkeiten wecken. Neben den Strafverfolgungsorganen dürften auch andere staatliche Stellen und privatwirtschaftliche Akteure wie Banken und Versicherungen großes Interesse an den gesammelten Daten haben. Letztere sind bereits heute bemüht, ihre Kunden durch Scoring- und Profilingalgorithmen zu kategorisieren und zu bewerten. Die Verbindungsdaten würden es ihnen erlauben, ein noch sehr viel genaueres Bild einer Person, ihrer sozialen Sphäre und ihrer Gewohnheiten zu zeichnen, um beispielsweise die Konditionen für Kredite und Policen entsprechend anzupassen. Wer zu viel, zu wenig oder mit den falschen Personen kommuniziert, könnte dann schlechtere Vertragsbedingungen erhalten oder als Vertragspartner komplett ausscheiden. Jüngst hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Verbraucher zwar Auskunft darüber verlangen können, welche Daten die Schufa über sie speichert, nicht jedoch über deren Verarbeitung, Gewichtung und algorithmische Aufbereitung. Hier wird der in der Maxime „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten.“ liegende Trugschluss besonders fassbar: wer nicht weiß, welche seiner Verhaltensspuren Dritte bei der Beurteilung seiner Kreditwürdigkeit wie bewerten und mit anderen persönlichen Daten verknüpfen, kann auch nicht wissen, ob und was er zu verbergen hat.
Ist die Vorratsdatenspeicherung erst einmal etabliert, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch solche Unternehmen für ihre Zwecke Interesse an der Nutzung der staatlich verordneten Datensammlung anmelden.
Eine weitere eklatante Gefahr liegt in dem Missbrauch der gespeicherten Vorratsdaten durch Kriminelle. Die kaum überschaubare Vielzahl der Fälle von Datendiebstahl, unter anderem bei Telekommunikationsprovidern wie der Telekom und Vodafone, belegt eindrucksvoll, dass selbst hoch sensible Daten niemals völlig sicher vor dem Zugriff Dritter sind. Befürworter der Vorratsdatenspeicherung argumentieren gern damit, dass Verbindungsdaten bereits heute in großem Umfang zu Abrechnungszwecken gespeichert werden, weshalb die Vorratsdatenspeicherung die Missbrauchsgefahr nicht erhöhe. Diese Überlegung ist durchweg falsch. Zunächst speichern die Provider Verbindungsdaten von Flatrate-Kunden in der Regel nicht, da sie in diesen Fällen gar nicht für die Abrechnung benötigt werden. In allen anderen Fällen halten Provider diese Daten maximal sieben Tage lang vor. Auch wenn dadurch bereits grundsätzlich Missbrauchsmöglichkeiten entstehen, so sind diese jedenfalls bei der maximal eine Woche dauernden Speicherung der Verbindungsdaten allein der Nicht-Flatrate-Kunden weitaus kleiner als bei einer mehrmonatigen Aufbewahrung ausnahmslos sämtlicher Verbindungsdaten aus jeglicher Form der elektronischen Kommunikation aller Menschen in Deutschland.
Die Vorratsdatenspeicherung eröffnet daher sowohl Anreize als auch Gelegenheiten für die Begehung von Straftaten, die von Wirtschaftsspionage bis hin zur Ausforschung und Erpressung einzelner Personen reichen können.
RECHTSLAGE
Hintergrund der Vorratsdatenspeicherung ist eine mittlerweile aufgehobene EU-Richtlinie von 2006. Diese Richtlinie verpflichtete die Mitgliedsstaaten dazu, die anlasslose Speicherung sämtlicher Verbindungsdaten und ihre Verwendung durch Strafverfolgungsbehörden gesetzlich zu regeln.
Bundesverfassungsgericht: Volkszählungsurteil vs. Vorratsdatenspeicherung
Deutschland hatte diese Richtlinie zwar bereits im Jahr 2008 umgesetzt, das entsprechende Gesetz wurde jedoch 2010 vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Die Richter sahen allerdings nur die konkrete Augestaltung des Gesetzes als verfassungswidrig an, während sie die Vorratsdatenspeicherung als solche in engen Grenzen für zulässig hielten.
Die Entscheidung rückte damit von einem zentralen Grundsatz, den das Bundesverfassungsgericht bereits 1983 im berühmten Volkszählungsurteil aufgestellt hatte, ab. Danach ist es dem Staat gerade nicht erlaubt, Daten über seine Bürger massenhaft und ohne Anlass auf Vorrat zu sammeln und auszuwerten. Der “gläserne Bürger”, über den der Staat alles weiß, widerspricht laut Volkszählungsurteil dem freiheitlichen Menschen- und Gesellschaftsbild des Grundgesetzes.
Demgegenüber stellten sich die Richter in der Entscheidung von 2010 auf den Standpunkt, dass die anlasslose Bevorratung von Verbindungsdaten gerade noch zulässig sei, wenn die Datensammlung dezentral bei den Telekommunikationsprovidern und nicht unmittelbar durch den Staat selbst erfolge. In diesem Fall, so das Gericht, sei die Gefahr eines Missbrauchs der Daten durch behördliche Stellen, etwa im Wege der Profilbildung und lückenlosen Ausforschung der Privatsphäre, nicht gegeben. Solange der staatliche Zugriff auf die gespeicherten Daten hohen, gesetzlich klar geregelten Hürden unterliege und nur im Einzelfall zur Verfolgung oder Prävention schwerer Straftaten stattfinde, sei die Vorratsdatenspeicherung mit dem Grundgesetz vereinbar.
Überwachungsgesamtrechnung muss neu bewertet werden
Diese Einschätzung muss im Lichte der Snowden-Veröffentlichungen ebenso wie der vom Bundesverfassungsgericht immer wieder eingeforderten Überwachungsgesamtrechnung grundlegend revidiert werden. Danach kommt es für die Zulässigkeit einer Überwachungsmaßnahme nicht nur auf das Gewicht der einzelnen Maßnahme selbst an. Entscheidend ist vielmehr, in welchem Maß sie im Zusammenspiel mit anderen, bereits existierenden Überwachungsmaßnahmen die Privatsphäre verkürzt.
In Deutschland gibt es bereits Funkzellenabfrage, Bestandsdatenauskunft, Videoüberwachung öffentlicher Plätze, den großen Lauschangriff und viele andere Überwachungsinstrumente mehr. Mit der Vorratsdatenspeicherung gewinnt die Überwachung der Gesellschaft endgültig einen flächendeckenden und lückenlosen Charakter, der es für die Menschen in Deutschland unmöglich macht, unbefangen von ihren grundrechtlich garantierten Freiheiten Gebrauch zu machen. Die Kombination der Daten aus unterschiedlichen Überwachungsinstrumenten erlaubt zudem ein derart tiefes Eindringen in den Wesenskern der Privatsphäre und der informationellen Selbstbestimmung, dass diese Grundrechte damit faktisch beseitigt werden. Anschaulich belegen dies etwa die Enthüllungen zum NSA-Programm CO-TRAVELLER. Durch die Verknüpfung von Verbindungsdaten aus der Vorratsdatenspeicherung mit Standortdaten aus der Funkzellenabfrage ermöglicht die Software sowohl ein exaktes Abbild der sozialen Kontakte als auch die Verfolgung des Aufenthaltsorts einer beliebigen Person bis in privateste Räumlichkeiten hinein.
Urteil des EuGH im April 2014
Im April 2014 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Richtlinie entschieden und sie wegen Verletzung der EU-Grundrechte auf Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten als ungültig verworfen. Dabei gingen die Richter sogar über den Entscheidungsvorschlag des Generalanwalts Pedro Cruz Villalón hinaus. Der hatte im Dezember 2013 die Ansicht vertreten, dass die Richtlinie in ihrer konkreten Ausgestaltung zwar gegen Grundrechte verstoße, eine Bevorratung von Verbindungsdaten zum Zweck der Strafverfolgung aber grundsätzlich zulässig sei und dem EU-Gesetzgeber daher eine Frist zur Nachbesserung eingeräumt werden solle. Obwohl die Richter die Auffassung Cruz Villalóns grundsätzlich teilten, gingen ihre Bedenken so weit, dass sie nicht nur Korrekturen an der Richtlinie verlangten, sondern sie gänzlich für nichtig erklärten.
Aus dem Urteil folgt zunächst, dass es für die Mitgliedsstaaten nun keine Pflicht mehr zur Umsetzung der Richtlinie gibt. Ob es zu einer Neuauflage kommen wird, ist derzeit unwahrscheinlich, aber nicht undenkbar. Dazu müsste zunächst die EU-Kommission einen neuen Entwurf vorlegen, anschließend müssten Parlament und Ministerrat darüber beraten und Beschluss fassen. Wie Ende Februar schon EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermanns sagte auch Innenkommissar Dimitris Avramopoulos bei einem Treffen der EU-Innenminister Mitte März 2015, dass die Kommission keinen neuen Anlauf für eine Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung plane. Gleichwohl hat Avramopoulos nur kurz darauf ein öffentliches Konsultationsverfahren zur Vorratsdatenspeicherung angestoßen. Auf den ersten Blick stellt ein solches Vorgehen die Verlässlichkeit der Aussage, die Kommission werde keine neue Richtlinie auf den Weg bringen, in Frage. Hintergrund könnte jedoch auch sein, dass die Juristen der Kommission zu dem (zutreffenden) Schluss gelangt sind, dass eine Vorratsdatenspeicherung nach dem Urteil des EuGH rechtlich nicht mehr möglich ist. Das Konsultationsverfahren wäre dann lediglich eine Reaktion auf den politischen Druck aus den Mitgliedstaaten, die – wie etwa Deutschland – weiterhin die Einführung der Vorratsdatenspeicherung fordern. Die Kommission muss sich auf diese Weise nicht vorhalten lassen, gänzlich untätig zu sein, während sie es zugleich vermeidet, tatsächlich einen neuen Richtlinienvorschlag vorzulegen.
Einen Kommentar zum Urteil und zu seinen Folgen findet Ihr hier, eine ausführliche Analyse zu seinen Auswirkungen auf andere Arten der Vorratsdatenspeicherung hier.
POLITISCHE LAGE
Die rechtliche Situation hatte seit dem Verfassungsgerichtsurteil von 2010 maßgeblichen Einfluss auf das politische Geschehen in Sachen Vorratsdatenspeicherung. Obwohl in konservativen Kreisen der Wille zu ihrer Einführung stets klar erkennbar war, scheiterte das Vorhaben während der schwarz-gelben Koalition am Widerstand der liberalen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sah sie keinen Spielraum mehr für eine verfassungsgemäße Umsetzung der Richtlinie.
Die nunmehr regierende Große Koalition hingegen hat das verfassungsgerichtliche Urteil offenbar als Anleitung zur Gesetzgebung gelesen. In der Koalitionsvereinbarung erklärt Schwarz-Rot die unbedingte Absicht, die Vorratsdatenspeicherung strikt nach den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Zur Begründung findet sich dort jedoch allein der Hinweis, dass ansonsten Strafzahlungen wegen Nichtumsetzung der EU-Richtlinie drohen. Dieses Argument ist mit dem Urteil des EuGH entfallen.
Gleichwohl ist der Wille der Bundesregierung zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung ungebrochen. Nachdem Bundesjustizminister Heiko Maas sich zunächst klar gegen einen neuen Anlauf für eine EU-Richtlinie oder einen nationalen Alleingang positioniert hatte, knickte er schließlich unter dem Druck des SPD-Parteivorsitzenden und Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel ein. Wichtiger als seinen Parteigenossen nicht zu düpieren, war es Gabriel offenbar, das innenpolitische Feld nicht gänzlich dem CDU-geführten Innenministerium zu überlassen. Maas wiederum interessierten seine eigenen Karrierechancen wohl mehr als die Verteidigung einer freiheitlichen Gesellschaft: im April 2015 legte er Leitlinien für eine deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung vor. In vollendetem Neusprech wird die anlasslose Bevorratung der Kommunikationsdaten aller Menschen in Deutschland dort als „Speicherpflicht mit Höchstspeicherfristen“ verharmlost. Warum die in den Leitlinien vorgeschlagene Regelung unausgegoren, widersprüchlich und grundrechtswidrig ist, haben wir für Euch hier ausführlich analysiert. Ziemlich genau einen Monat später gelangte ein konkreter Referentenentwurf für die Einführung der VDS an die Öffentlichkeit. Darin rückte das BMJV nicht nur von einigen in den Leitlinien skizzierten rechtsstaatlichen Sicherungen (wie z.B. einem strikten Richtervorbehalt) ab, sondern fügte auch einen neuen Straftatbestand der Datenhehlerei ein, der vor allem die Interessen von Journalisten und Whistleblowern gefährdet. Wir haben den Referentenentwurf hier für Euch erläutert und bewertet.
Angesichts der Bundestagsmehrheit der Großen Koalition von rund 80% wird es fast unmöglich sein, die Verabschiedung eines Gesetzes zur VDS zu verhindern. In der SPD regt sich zwar seit Längerem Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung, den die Netzpolitiker der Partei nun erneut anfachen wollen. Ein grundsätzlicher Richtungswechsel der SPD auf Regierungsebene wird sich dadurch aber wohl nicht ergeben. Wie dringend es dem SPD-Vorsitzenden Gabriel ist, die Vorratsdatenspeicherung als sozialdemokratisches Projekt durchzudrücken, lässt sich auch daran ablesen, dass er zur Verteidigung des Vorhabens selbst vor grotesk falschen und beschämend populistischen Argumentationen nicht zurückschreckt. Trotz der nicht allzu hoffnungsvollen Lage sollten die Netzpolitiker ihre Überzeugungsarbeit insbesondere bei den sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten weiter fortsetzen. Es ist richtig und essentiell wichtig, dass die Volksvertreter gerade in so gesamtgesellschaftlich bedeutsamen Fragen wie der Vorratsdatenspeicherung ihre verfassungsrechtliche Gewissensverpflichtung über parteipolitische Opportunität und Koalitionsdisziplin stellen. Wollen die Vorratsdatenspeicherungsgegner in den Reihen der SPD allerdings verhindern, dass ihr Protest lediglich von der eigenen Parteispitze als fadenscheiniger Profilierungsversuch verwertet wird und im Ergebnis als bloße symbolische Umarmung der Bürgerrechtler verpufft, müssen sie bis zu den Beratungen über einen Gesetzesentwurf nun aktiv ihren Einfluss bei Genossinnen und Genossen nutzen und ihnen vermitteln, dass ein Nein zur Vorratsdatenspeicherung eine Frage des politischen Gewissens ist.
WAS DU TUN KANNST
Ob nun der nächste Schritt in Richtung Überwachungsstaat getan wird, ist nur noch von der Politik abhängig. Die Zivilgesellschaft muss den Verantwortlichen in Sachen Vorratsdatenspeicherung daher eine klare und unmissverständliche Absage erteilen. Erzähl Deinen Freunden und Verwandten von der Vorratsdatenspeicherung, verlink diese Seite in Deinem Blog oder teile sie über soziale Medien. Wende Dich per Mail, Fax, Post oder Telefon an Bundestagsabgeordnete und teile ihnen mit, dass und warum Du die VDS ablehnst. Hilf mit, ein Bewusstsein für die Gefahren der Vorratsdatenspeicherung zu schaffen.
DANK UNSEREN UNTERSTÜTZERN!
Dank Spenden konnten wir u.a. 5000 neue Postkarten mit zwei Motiven gegen die Vollprotokollierung unserer Kommunikationsdaten drucken lassen, die wir auch an Euch weitergeben möchten. Wenn ihr uns einen frankierten Rückumschlag zukommen lasst, schicken wir Euch gerne welche zu.
Die Vorratsdatenspeicherung macht 80 Millionen Menschen in Deutschland anlasslos zu Verdächtigen. Am 8. April 2014 hat der Europäische Gerichtshof die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt. Damit ist ein wichtiger Etappensieg errungen, um die anlasslose Massenspeicherung aller Verbindungsdaten der elektronischen Kommunikation in Europa zu verhindern. Gänzlich vom Tisch ist das Vorhaben damit aber noch nicht. […]