Vor einem Jahr wurde von der Europäischen Union gegen den Widerstand zahlreicher zivilgesellschaftlicher Gruppen die TCO-Verordnung, besser bekannt als TERREG erlassen. Nun liegt ein erster Gesetzentwurf zur Durchführung in Deutschland vor. Leider hat das Bundesinnenministerium auch in der neuen Regierung wieder einmal nur eine sehr kurze Frist zur Kommentierung eingeräumt. Hier ist unsere entsprechend knappe Stellungnahme:
Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2021/784 – TerrOIB-Gesetz
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf versucht die Bundesregierung die Verordnung zur Bekämpfung terroristischer Onlineinhalte (TCO) durchzuführen. Die TCO, auch als TERREG bekannt, wurde im April 2021 von Europäischem Parlament und Europäischem Rat nach äußerst kontroversen Diskussionen verabschiedet. Insbesondere zivilgesellschaftliche Organisationen hatten bis zuletzt versucht, die Verordnung zu verhindern, da sie in ihr ernsthafte Gefahren für zentrale Grundrechte wie Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit sehen. Trotz einiger Verbesserungen im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf enthält auch die letztlich verabschiedete Verordnung einige Regelungen, die zentralen europäischen Werten diametral entgegenstehen.
Zur Kritik an der TCO verweisen wir auf unsere verschiedenen Beiträge zum Thema seit 2018. Insbesondere haben wir wiederholt auf die Problematik hingewiesen, dass die Vorschriften zu Maßnahmen nach Art. 5 TCO zum Einsatz von automatisierten Tools, u.a. dem Einsatz von Uploadfiltern führen werden, die nicht nur ihrer Struktur nach unverhältnismäßig sind, sondern insbesondere im Bereich der Regulierung „terroristischer Inhalte“ zu hohen Fehlerquoten führen und eine ernsthafte Gefahr für unabhängige Berichterstattung darstellen können. Denn automatisierte Tools sind nicht in der Lage, zwischen problematischen Inhalten und der Berichterstattung über oder auch Counter-Speech gegen diese zu unterscheiden.
Auch wenn die Verordnung die besonders problematischen Punkte, insbesondere die grenzüberschreitenden Entfernungsanordnungen (Art. 3 TCO) und spezifische Maßnahmen gemäß Art. 5 TCO selbst detailliert regelt, verfehlt es der vorliegende Gesetzentwurf weitere problematische Aspekte zu adressieren, die zumindest teilweise der Ausgestaltung durch den nationalen Gesetzgeber obliegen.
I. Bundeskriminalamt und Bundesnetzagentur als zuständige Behörden
Im Wesentlichen beschränkt sich das vorliegende Gesetz darauf, Bundeskriminalamt und Bundesnetzagentur als zuständige Stellen gemäß Art. 12 Abs. 1 TCO zu benennen. Dies wird weder den verfassungsmäßigen Anforderungen aus Art. 5 Abs. 1 GG noch den Regelungen der TCO selbst gerecht.
1. Die TCO stellt es den Mitgliedsstaaten in Art. 12 frei, die „zuständige Behörde“ (im Englischen: „competent authority“) zu benennen. Ausweislich Erwägungsgrund 35 der Verordnung kann dies ausdrücklich die Justiz sein.
Sowohl Entfernungsanordnungen gemäß Art. 3 als auch spezifische Maßnahmen nach Art. 5 TCO betreffen Telemedien, die unter den Schutz von Art. 5 Abs. 1 GG fallen. Medienintermediäre und insbesondere rundfunkähnliche Telemedien werden regelmäßig Adressat derartiger Maßnahmen sein. Diese stehen unter dem besonderen Schutz der Medienfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG.
Einfachgesetzlich ist der Schutz der Medienfreiheit im Bereich herkömmlicher Medien stark ausgeprägt. So stehen etwa Presserzeugnisse unter einem besonderen Schutz, ihre Beschlagnahme ist nach den Pressegesetzen regelmäßig ausschließlich auf richterliche Anordnung möglich. Auch die strafprozessuale Beschlagnahme von Medienerzeugnissen unterliegt strengen Voraussetzungen und bedarf regelmäßig einer richterlichen Anordnung.
Jedenfalls bezüglich der vorgenannten Telemedien ist nicht ersichtlich, warum kein vergleichbarer Schutz der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährt und durch einen Richtervorbehalt sichergestellt wird. Dies umso mehr, als Art. 1 Abs. 3 und 4 TCO-VO in vielen Fällen eine schwierige juristische Abwägung erforderlich machen werden.
2. Das TerrOIBG-E setzt auch Art. 13 Abs. 2 TCO nicht hinreichend um. Danach muss der nationale Gesetzgeber sicherstellen, dass die zuständigen Behörden keine Weisungen einholen oder entgegennehmen und auf objektive und diskriminierungsfreie Weise agieren. Das BKA ist eine nachgeordnete Behörde und unterliegt einem umfassenden Weisungsrecht des Innenministeriums. Bezüglich der Bundesnetzagentur hat der EuGH erst kürzlich festgestellt, dass sie nicht unabhängig aufgestellt sei und daher die Gefahr bestünde, dass sie nicht diskriminierungsfrei agiere.
Dass die beiden Behörden durch das Grundgesetz verpflichtet sind, jederzeit diskriminierungsfrei zu agieren, reicht nicht aus den Vorgaben der TCO zu entsprechen. Denn die ausdrücklichen Regelungen sollen erkennbar eine über das rechtsstaatlich grundsätzlich gebotene Maß hinausgehen. Dem trägt der Gesetzentwurf nicht Rechnung, der nicht einmal versucht, die fehlende Unabhängigkeit der Behörden durch entsprechende gesetzliche Vorgaben sicherzustellen.
Die Medienaufsicht ist aus guten Gründen in Deutschland staatsfern ausgestaltet. Die Aufsicht über rundfunkähnliche Telemedien und Medienintermediäre obliegt laut Medienstaatsvertrag den unabhängigen Medienanstalten und nicht den allgemeinen Ordnungsbehörden. Derart weitgehende Befugnisse in die Medienfreiheit einzugreifen, sind in einem Rechtsstaat nur deutlich staatsferneren Institutionen als einer Polizeibehörde zuzuweisen. Die bloße Informierung der Landesmedienanstalten und die Möglichkeit ihrer Beteiligung „unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls“ gemäß § 3 TerrOIBG-E ist jedenfalls nicht geeignet, diesen grundsätzlich verfehlten Ansatz des Entwurfs zu korrigieren.
II. Mangelhafter Rechtsschutz
Der Gesetzentwurf verkennt, dass Art. 9 TCO ausdrücklich einen wirksamen Rechtsschutz und die Möglichkeit des Anrufens eines Gerichts vorsieht. Die Ausgestaltung des Rechtsschutzes ist laut Verordnung den Mitgliedsstaaten überlassen, sie sind aber jedenfalls gehalten, diesen tatsächlich wirksam auszugestalten. Ein effektiver Rechtsschutz ist insbesondere deshalb wichtig, da die Kontrollmechanismen gerade bei grenzüberschreitenden Anordnungen in der TCO äußerst defizitär ausgestaltet sind.
Der vorliegende Gesetzentwurf greift zu kurz, insofern er einen tatsächlich wirksamen Rechtsschutz, jedenfalls hinsichtlich der Entfernungsanordnung, nicht gewährleistet. Innerhalb der Stundenfrist des Art. 3 Abs. 3 TCO wird (einstweiliger) gerichtlicher Rechtsschutz auch vor dem schnellsten Gericht nicht zu erlangen sein. Gerade im sensiblen Bereich der Meinungs- und Medienfreiheit muss aber grundsätzlich die Möglichkeit gegeben sein, Rechtsschutz zu erlangen noch bevor ein Inhalt entfernt wird.
Naheliegend wäre es daher, einem Widerspruch gegen die Entfernungsanordnung grundsätzlich aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, so dass gerade in strittigen Fällen die Möglichkeit wirksamen Rechtsschutzes eröffnet wird. Dabei ist davon auszugehen, dass nur in wirklich strittigen Fällen tatsächlich mit einem Widerspruch von Hostingdienste- oder Inhalteanbieter zu rechnen sein dürfte und in eindeutigen und dringlichen Fällen der Behörde die begründete Anordnung der sofortigen Vollziehung offen stünde.
III. Bußgeldvorschriften als Anreiz für Uploadfilter
Verfehlt sind zudem die Bußgeldvorschriften, insofern sie auch die fahrlässige Begehungsweise sanktionieren. Insbesondere bezüglich der spezifischen Maßnahmen nach Art. 5 TCO (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 TerrOIBG-E) kann die empfindliche Bußgeldandrohung für das fahrlässige nicht richtige Umsetzen von spezifischen Maßnahmen einen unverhältnismäßig hohen Druck auf Hostingdiensteanbieter ausüben. Dies kann dazu führen, dass Hostingdiensteanbieter trotz ihrer Verpflichtung zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und der Grundrechte ihrer Nutzerinnen und Nutzer sich gedrängt sehen ‚auf Nummer sicher‘ zu gehen und im Zweifel eher weitreichende Maßnahmen, insbesondere Uploadfilter einzusetzen. Insofern möchten wir erneut darauf hinweisen, dass wenig gewonnen ist, wenn Uploadfilter zwar nicht ausdrücklich vorgeschrieben werden, die gesetzlichen Regeln im Detail aber so ausgestaltet sind, dass Anbieter zu ihrem Einsatz gedrängt werden.
Aus den dargelegten Gründen ist der vorliegende Entwurf nicht dazu geeignet die TCO umzusetzen, geschweige denn, die grundlegenden Fehler der Verordnung zumindest in der nationalen Durchführung soweit abzuschwächen, wie es dem Gesetzgeber möglich wäre.