Zum offenen Brief als pdf

An die Mitglieder der
Fraktionen CDU/CSU und SPD
im Deutschen Bundestag

Berlin, März 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,

gegenwärtig wird das Urheberrecht umfassend überarbeitet und den Vorgaben der umstrittenen EU-Urheberrechtsrichtlinie angepasst. Insbesondere die Regelungen zur automatisierten Inhalteerkennung und -sperrung waren in den letzten Jahren Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Dabei ist leider viel Vertrauen in die Regierungsparteien zerstört worden.

Es wird in der nationalen Umsetzung keine Uploadfilter geben.“ Eindeutiger kann ein Wahlversprechen nicht formuliert sein. Abgegeben wurde es im Wahlkampf zur Europawahl 2019 von Paul Ziemiak, dem Generalsekretär der CDU gemeinsam mit den Rechts- und Digitalpolitikern der Partei, kurz bevor im Europaparlament trotz massiver Proteste die umstrittene Urheberrechtsrichtlinie beschlossen wurde. Zeitgleich ließen die digitalpolitischen Sprecher der SPD verlautbaren: „Uploadfilter müssen verhindert werden“ und auch der SPD-Parteikonvent erklärte: „Wir wollen Uploadfilter verhindern.

Zu diesen öffentlichen Bekenntnissen zu einem freien und offenen Internet dürfte der Protest beigetragen haben, den Anfang 2019 hunderttausende Menschen auf die Straßen trugen. In einer Petition wandten sich weit mehr als fünf Millionen Menschen gegen die geplanten Uploadfilter. Es war daher eines der zentralen Themen der Europawahl. Gerade für junge Menschen war und ist das Thema von entscheidender Bedeutung. Bei den Protesten gegen Uploadfilter haben Sie sich politisch engagiert – viele zum ersten Mal.

Die Protestierenden erinnerten unter anderem an den Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2018, der sehr deutlich formulierte: „Eine Verpflichtung von Plattformen zum Einsatz von Upload-Filtern, um von Nutzern hochgeladene Inhalte nach urheberrechtsverletzenden Inhalten zu ‚filtern‘, lehnen wir als unverhältnismäßig ab.“ Der Urheberrechtslinie mit ihrem Artikel 17, der den Einsatz von Uploadfiltern vorschreibt, stimmte die Bundesregierung dann aber doch zu und verschaffte ihr damit die entscheidenden Stimmen im Rat. Die vielen Protestierenden wurden enttäuscht.

Allerdings betonte die Bundesregierung in einer Protokollerklärung, dass sie von einer europaweit einheitlichen Umsetzung ausgehe, bei der Uploadfilter „nach Möglichkeit zu verhindern“ sind bzw. es Ziel sein müsse „das Instrument ‚Uploadfilter‘ weitgehend unnötig zu machen.“ Mit ihrer Ablehnung von Uploadfitern steht die Regierung und die sie tragenden Parteien nicht allein: Die Oppositionsparteien sind ebenfalls gegen deren Einsatz. Die politischen Mehrheiten sind also eigentlich sehr klar.

Und so waren wir sehr gespannt, wie die Bundesregierung ihr ständig wiederholtes Versprechen einer Urheberrechtsreform ohne Uploadfilter umsetzen würde. Die Antwort ist: Leider gar nicht!

Der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf ist vollständig um Uploadfilter gestrickt. Diese sind das zentrale Instrument des geplanten Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes und ihr umfassender Einsatz wird nach seiner Verabschiedung unumgänglich sein. Auch die in der Protokollerklärung der Bundesregierung in Aussicht gestellten Maßnahmen, die Overblocking und Missbrauch vorbeugen sollen, finden sich kaum noch im Regierungsentwurf.

In den ersten Vorschlägen und Entwürfen aus dem Bundesjustizministeriums war immerhin vorgesehen, die absehbaren negativen Folgen durch ernsthafte Ausnahmeregelungen und Bagatellgrenzen zumindest abzuschwächen. Doch im Laufe der regierungsinternen Abstimmung und auf Druck einer massiven Kampagne der Rechteindustrie wurden diese Ausnahmeregelungen immer enger gefasst.

Im Regierungsentwurf ist nun lediglich vorgesehen, dass für das Verwenden minimaler Ausschnitte aus Werken unter engen Voraussetzungen die „widerlegliche“ Vermutung gilt, dass sie nach dem Urheberrecht erlaubte Nutzungen darstellen. Alles andere soll blockiert werden. Auch der Preflagging-Mechanismus wurde immer weiter zusammengestrichen. Und selbst diese Beschränkungen der Uploadfilter stehen noch zur Diskussion. Die Regierungsfraktionen dürfen dem Druck der Rechteindustrie nicht immer weiter nachgeben und sollten endlich auf die Nutzerinnen und Nutzer zu hören, die keine grundrechtswidrigen Uploadfilter wollen.

Wir wollen Sie daher zuletzt noch an ein weiteres Versprechen der Regierung in der Protokollerklärung erinnern: Darauf hinzuwirken, dass die Defizite im EU-Urheberrecht korrigiert werden.

Mit freundlichen Grüßen

Digitale Gesellschaft
SaveTheInternet.info