Im Oktober standen viele sehr wichtige Themen auf den Tagesordnungen in Berlin, Brüssel, Luxemburg und Straßburg: Unter anderem wurden Entscheidungen zur Netzneutralität, zur Vorratsdatenspeicherung und zum Datentransfer zwischen der EU und den USA getroffen.
Zwei der wichtigen Entscheidungen, nämlich die Verabschiedung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und die Regelung zur Netzneutralität auf EU-Ebene, müssen leider als herber Rückschlag für die Entwicklung eines freien Internets gelten. Die Entscheidung des EuGH zum Safe Harbor-Abkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten stellt hingegen einen Lichtblick für eine moderne Netzpolitik dar.

Außerdem wollen wir Euch auf unser Kampagnentool zur WLAN-Störerhaftung, auf den nächsten Netzpolitischen Abend am 3. November sowie auf unseren neuen Podcast, den DigiGes-Wochenrückblick, aufmerksam machen.

1. Vorratsdatenspeicherung: Bundestag beschließt anlasslose Massenüberwachung
2. Netzneutralität: EU-Parlament besiegelt Ende des offenen Internets in Europa
3. WLAN-Störerhaftung: Widerstand gegen den Gesetzesentwurf der Bundesregierung
4. Safe Harbor: EU-Generalanwalt hält Abkommen für ungültig
5. Der DigiGes-Wochenrückblick: Unser neuer Podcast
6. Nächster Netzpolitischer Abend
7. Videos vom letzten Netzpolitischen Abend
8. DigiGes in den Medien

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1. Vorratsdatenspeicherung: Bundestag beschließt anlasslose Massenüberwachung

Der 21. Oktober 2015 ist im Kultfilm „Zurück in die Zukunft II“ von 1989 der Tag, an dem Protagonist Marty McFly nach seiner Zeitreise im umgebauten DeLorean in der Zukunft ankommt.
„Zurück in die Zukunft“ dachten sich am 16. Oktober 2015 wohl auch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, als sie entgegen zweier negativer Gerichtsurteile eine Neuauflage der bereits totgeglaubten Vorratsdatenspeicherung (VDS) beschlossen.
Die Zukunft ist in den Augen der abstimmenden Bundestagsmitglieder eine Zeit, in der Verkehrsdaten der gesamten Bevölkerung Deutschlands für 10 Wochen gespeichert werden, ohne dass der Staat irgendeine evidenzbasierte Begründung liefern könnte, wie dieser Eingriff in die Freiheitsrechte des Einzelnen legitimiert wird.
In Anbetracht der breiten Kritik führender Datenschutzexperten, der Zivilgeselschaft und sogar der Europäischen Kommission an dem Gesetz, kann die Wiedereinführung der VDS nur als bewusste politische Entscheidung in Richtung Überwachungsstaat bewertet werden.
Wehren kann man sich selbst nur noch, indem man die eigene Kommunikation möglichst (verkehrs-)datensparsam organisiert und zu verschlüsselt. Ein Interview zu diesem Thema der „Digitalen Selbstverteidigung“ mit unserem politischen Referenten Volker Tripp findet Ihr hier:
https://soundcloud.com/digiges/digitaleselbstverteidigung .
Darüber hinaus bleibt abzuwarten, wie sich die verschiedenen Klageverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz entwickeln.

Einen Kurzbericht zur Demo gegen die VDS am Tag der Abstimmung findet Ihr hier:
https://digitalegesellschaft.de/2015/10/kurzbericht-demo-vds/

Unsere Pressemitteilung zur Wiedereinführung der VDS:
„Vorratsdatenspeicherung im Bundestag: Grundrechtliches Fiasko verhindern!“
https://digitalegesellschaft.de/2015/09/vds-fiasko-verhindern/

2. Netzneutralität: EU-Parlament besiegelt Ende des offenen Internets in Europa

Branchenübergreifender Widerstand hatte sich in den letzten Wochen auch gegen ein weiteres netzpoltisches Vorhaben organisiert: Die gesetzliche Regelung (lies: „Demontage“) der Netzneutralität auf europäischer Ebene.
Neben einer großen Anzahl an Nichtregierungsorganisationen hatte sich eine Allianz, der u.a. wichtige IT-Start-Ups (etwa reddit, Netflix und Soundcloud) sowie herausragende Internet-Vordenker wie Mike Butcher und Sir Tim Berners-Lee angehören, für uneingeschränkte Netzneutralität in Europa ausgesprochen.
Einer der Hauptkritikpunkte betrifft dabei die Regelungen zu den sogenannten „Spezialdiensten“. Für diese kostenpflichtigen Dienste, mit denen die Anbieter ihre Kunden auf eigens eingerichteten Überholspuren erreichen können, fehlt in der EU-Verordnung eine klare Definition. Die Telekommunikationsunternehmen wollen mit den Überholspuren gleich doppelt abkassieren – einmal bei den Endkunden und einmal bei den Anbieter von Online-Diensten. Während etablierte Unternehmen diese Kosten durchaus stemmen können, wird es für kleinere Firmen schwer werden, die notwendigen Mittel aufzubringen, um in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben.
Dass diese von uns im Vorfeld des Beschlusses wieder und wieder betonten Gefahren keine substanzlose Schwarzmalerei, sondern bittere Realität sind, zeigte sich bereits kurz nach Verabschiedung der Verordnung. Schon zwei Tage nach der Abstimmung kündigte die Deutsche Telekom an, Start-Ups künftig für schnelle Internetleitungen im Wege einer Umsatzbeteiligung zur Kasse bitten zu wollen.

Wenn ihr eurem Ärger/Missmut über das neue Geschäftsmodell der Telekom kreativ Luft machen wollt, könnt ihr unseren T-Remixer nutzen, mit dem sich Memes mit T-Kom-Motiven basteln lassen.

Unsere Pressemitteilung zur Verabschiedung der Verordnung: „Netzneutralität: EU-Parlament besiegelt Ende des offenen Internet in Europa“ (27.10.2015): https://digitalegesellschaft.de/2015/10/telekom-spezial/

WLAN-Störerhaftung: Widerstand gegen den Gesetzesentwurf der Bundesregierung

Auch in Deutschland steht in Bälde ein Gesetzesentschluss an, der die Verbreitung freier Internetzugänge weiter einschränken wird: Die Entscheidung über die WLAN-Störerhaftung.
Nachdem wir schon vor drei Jahren einen Gesetzesentwurf zur Abschaffung der WLAN-Störerhaftung vorgestellt hatten, der im Bundestag jedoch mit den Stimmen der großen Koalition abgewehrt wurde, bringt die Bundesregierung nun selbst ein Gesetzesvorhaben auf den Weg. In der gegenwärtigen Fassung würde mit dem Entwurf der Bundesregierung aber nur die jetzige unsichere Rechtslage festgeschrieben, in der Anbieter von offenen WLAN-Hotspots Gefahr laufen, für Rechtsverletzungen Dritter kostenpflichtig abgemahnt zu werden. So ist dort von „angemessenen Sicherungsmaßnahmen“ die Rede, ohne die ein WLAN nicht geöffnet werden dürfe. Was damit gemeint ist, lässt der Entwurfstext offen; denkbar ist etwa, dass diese Formulierung darauf abzielt, Betreiber zu einer Passwortsicherung der Zugänge zu verpflichten, was dem Ziel der Verbreitung offener Netze natürlich völlig widerspricht.
In dem Regierungsentwurf wird von WLAN-Betreibern außerdem verlangt, eine Vorschaltseite mit einer sogenannten Rechtstreueerklärung einzurichten. Dies wird viele private, aber auch geschäftsmäßige Anbieter technisch überfordern. Durch derartige Hürden wird die Ausbreitung von offenen WLAn-Netzen eher verhindert statt gefördert.

Nun regt sich jedoch auch in der Politik Widerstand gegen das Vorhaben. Das Land Nordrhein-Westfalen eine Beschlussempfehlung in den Bundesrat eingebracht, wonach die oben beschriebenen Einschränkungen aus dem Gesetzestext gestrichen werden sollen. Am kommenden Freitag, dem 6. November, wird das Plenum des Bundesrates über die Beschlussempfehlung beraten.

Wenn Ihr selbst aktiv werden wollt, um endlich den Weg zu offenen WLANs in Deutschland zu ebnen, könnt Ihr weiterhin unser Kampagnentool zur Abschaffung der WLAN-Störerhaftung nutzen! Auf der Kampagnenseite prgenerator.freifunk.net findet Ihr ein Schreiben mit entsprechenden Forderungen und Argumenten, das Ihr bei Bedarf anpassen und an das Bundestagsmitglied Eures Wahlkreises schicken könnt.

Updates zum Thema findet Ihr außerdem in den Folgen drei und fünf unseres DigiGes-Wochenrückblicks.

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4. Safe Harbor: Nachspiel nach EuGH-Urteil beginnt

Der Europäische Gerichtshof hat ein historisches Zeichen für den Datenschutz und gegen anlasslose Massenüberwachung gesetzt.

In dem Rechtsstreit zwischen dem österreichischen Datenschutzaktivisten Max Schrems und Facebook hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die vor rund 15 Jahren ergangene „Safe Harbor“ Entscheidung der EU-Kommission ungültig ist. Die Entscheidung bildete bislang die rechtliche Grundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten aus der EU in die Vereinigten Staaten, wo US-Unternehmen wie Facebook diese Daten speichern und verarbeiten. Sie besagte im Kern, dass in den USA ein angemessenes Schutzniveau für die Daten von Nutzerinnen und Nutzern aus der EU herrsche. Dieser pauschalen Annahme hat der EuGH nun vor dem Hintergrund der anlasslosen Massenüberwachung durch die NSA eine klare Absage erteilt.

Die Safe Harbor-Entscheidung des EuGH macht unmissverständlich klar, dass geheimdienstliche Spähexzesse den Grundrechten und der Online-Wirtschaft schweren Schaden zufügen und mit freien transatlantischen Datenflüssen schlichtweg unvereinbar sind. Die politisch Verantwortlichen in Europa und den USA stehen nun in der Pflicht, die Missstände abzustellen und die längst überfälligen Reformen bei Aufsicht und Befugnissen der Geheimdienste vorzunehmen.

Damit künftig der transatlantische Datenfluss nicht gestoppt werden muss, bedarf es substanzieller Änderungen bei den Überwachungspraktiken der US-Geheimdienste ebenso wie bei ihrer Aufsicht und den Rechtsmitteln für Personen, die nicht in den USA ansässig sind.

Unsere Einschätzung zum EuGH-Urteil im DigiGes Wochenrückblick (23.10. 2015)

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Unsere Einschätzung zum EuGH-Urteil im DigiGes Wochenrückblick (16.10. 2015)

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Unsere Einschätzung zum EuGH-Urteil im DigiGes Wochenrückblick (09.10. 2015)

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Unsere Pressemitteilung zum EuGH-Urteil: „Safe Harbor: Europäischer Gerichtshof setzt historisches Zeichen gegen anlasslose Massenüberwachung“ (06.10.2015):
https://digitalegesellschaft.de/2015/10/safe-harbor-eugh-zeichen/

Blogpost zu den zu erwartenden Auswirkungen der EuGH-Entscheidung: „Safe Harbor Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs: Das Ende transatlantischer Datenflüsse?“ (05.10.2015):
https://digitalegesellschaft.de/2015/10/safe-harbor-transatlantische-datenfluesse/

Blogpost zu den „Auswegen“ aus Safe Harbor: „Kurzanalyse: Standardvertragsklauseln und Binding Corporate Rules als Ausweg nach der „Safe Harbor“-Entscheidung?“ (06.10.2015):
https://digitalegesellschaft.de/2015/10/kurzanalyse-standardvertragsklauseln-bcr/

5. Der DigiGes-Wochenrückblick: Unser neuer Podcast

Wir probieren etwas Neues: Jeden Freitag werden wir zukünftig einen Podcast veröffentlichen. Wer mehr über unser Engagement und die aktuellen netzpolitisch relevanten Entwicklungen erfahren möchte, kann unseren DigiGes Wochenrückblick auf Youtube oder SoundCloud abonnieren!

Gebt uns gerne auch Feedback, was Ihr von den Podcasts haltet. Helft uns, besser zu werden! Wir freuen uns über Feedback und wenn Ihr unseren Youtube- und SoundCloud-Kanal abonniert, damit Ihr auf dem Laufenden bleibt.

Die DGW-Playlist auf Youtube:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLMoiP4YfunXKpOtAC4daSlvVA6JzRweHC
Die DGW-Playlist im Audioformat auf SoundCloud:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLMoiP4YfunXKpOtAC4daSlvVA6JzRweHC

6. Nächster Netzpolitischer Abend

Der nächste Netzpolitische Abend findet am Dienstag, 6. November, um 20.00 Uhr in der c-base in Berlin statt.

Das Programm:

Anna Biselli (netzpolitik.org): „Bürokratiedschungel Brüssel – Wegweiser durch die EU-Politik für (Netz-)Aktivist*innen“

Eben Chu: „Empowering Refugees Worldwide“

Monic Meisel: „WLAN-Störerhaftung – Update und Ausblick“

David Bernet: „Democracy – Im Rausch der Daten“

Ihr findet die c-base in der Rungestraße 20, 10179 Berlin. Einlass ist wie immer ab 19 Uhr, los geht’s gegen 20 Uhr, selbstverständlich auch im Stream unter http://c-base.org. Der Eintritt ist frei.

#npa042 ist der Hashtag für den Abend – gebraucht ihn gerne und reichlich, auch für Feedback und Fragen, wenn ihr nicht vor Ort sein könnt.

7. Videos vom letzten Netzpolitischen Abend

Alexander Sander: „Safe Harbor-Entscheidung des EuGH / Protest gegen TTIP“

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Laura Laugwitz: „A Rail of One’s Own – Was machen eigentlich die Rails Girls Berlin?“

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Nikolaus Huss: „Der Open-Web-Index: Ein europäischer Beitrag für ein transparenteres und partizipativeres Web“

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Mushon Zer-Aviv: „AdNauseam – Obfuscation as counter-surveillance-measure“

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Sandra Mamitzsch: „Crowdfunding Refugee Emancipation“

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8. DigiGes in den Medien

Presse

futurezone.at
Reaktionen: „Deutliches Signal gegen Massenüberwachung“
http://futurezone.at/netzpolitik/reaktionen-deutliches-signal-gegen-massenueberwachung/156.920.459

Mittelbayerische
Mehr Überwachung, weniger Demokratie
http://www.mittelbayerische.de/politik-nachrichten/mehr-ueberwachung-weniger-demokratie-21771-art1295441.html

TAZ
Umstrittene Internet-Verordnung der EU: Netzneutralität, aber…
http://www.taz.de/!5245306/

Die Welt
Billiger nach Hause telefonieren
http://www.taz.de/!5245306/

Radio

radioeins
EU-Parlament stimmt über Netzneutralität ab
http://www.radioeins.de/programm/sendungen/der_schoene_morgen/_/eu-parlament-stimmt-ueber-netzneutralitaet-ab.html

WDR 5
Interview -Nach dem „Facebook-Urteil“: Und was jetzt?!
http://www.wdr5.de/sendungen/toenetextebilder/Facebook132.html

TV

N24
Interview mit Alexander Sander: „EuGH kippt Safe Harbor“
https://www.youtube.com/watch?v=VTSLysNqwR0

Pro7
Newstime – Interview mit Alexander Sander. „EuGH kippt Safe Harbor“
https://www.youtube.com/watch?v=ql06nBF1Dcg

Sat1
Nachrichten – Interview mit Alexander Sander. „EuGH kippt Safe Harbor“
https://www.youtube.com/watch?v=_6tmNa4J88o

ARD
Tagesschau: Bundestag beschließt umstrittenes Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung
https://www.youtube.com/watch?v=ibAd3zAcd8o

ZDF
Heute Journal: Bundestag beschließt Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung
https://www.youtube.com/watch?v=_fdyZKTBPB8