Ein breites Bündnis von Verbänden und Organisationen hat Bundesinnenminister Friedrich nachdrücklich aufgefordert, auf europäischer Ebene für den Erhalt bewährter Datenschutzprinzipien einzutreten. Denn die europäische Datenschutzgrundverordnung darf auf keinen Fall das heutige hohe Datenschutzniveau in Deutschland durch neue, schwächere Regelungen ersetzen. Zu den Erstunterzeichnern gehört auch der Verein Digitale Gesellschaft.

Es besteht die Gefahr, dass bei den Verhandlungen über die geplante europäische Datenschutz-Reform ein für die Wirtschaft „weichgespültes“ Datenschutzrecht entsteht, das seinen Namen nicht mehr verdient. Denn seit langem bedrängen Lobbyisten die Vertreter von Parlament und Regierungen massiv, auf allgemein verbindliche Vorgaben zu verzichten und stattdessen auf eine unverbindliche Selbstregulierung zu setzen.

„Grundrechte lassen sich nun mal nicht durch das Hoffen auf den guten Willen von Interessensgruppen garantieren. Sie zu schützen, ist Aufgabe des Gesetzgebers – des nationalen und des europäischen gleichermaßen,“ betont Karin Schuler von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz.

Das Bündnis appelliert daher an den Bundesinnenminister, sich entsprechend seinen jüngsten Äußerungen in den Medien für einen einfachen aber starken Datenschutz einzusetzen und insbesondere im Ministerrat klare, eindeutige Regeln zu fordern. Dazu gehören: Einhaltung der Zweckbindung, Vermeidung von Schlupflöchern, Integration des Beschäftigtendatenschutzes und die Schaffung wirksamer Kontrollmechanismen.

„Eine Absenkung des Datenschutzniveaus wäre eine Bankrotterklärung für den europäischen Gesetzgeber und würde besonders in Deutschland zu einem fühlbaren Einsturz führen,“ befürchtet Rena Tangens vom Verein Digitalcourage.

Erstunterzeichner des offenen Briefes sind der Berufsverband der Datenschutzbeauftragten, Campact, Chaos Computer Club, Digitalcourage, Digitale Gesellschaft, Deutsche Vereinigung für Datenschutz, Deutscher Gewerkschaftsbund (angefr.), Forum InformatikerInnen für gesellschaftliche Verantwortung, Gewerkschaft ver.di (angefr.), Humanistische Union und der Verbraucherzentrale Bundesverband (angefr.).

Das Bündnis bittet noch bis zum 2. Juni 2013 um Unterstützungs-Unterschriften auf der Seite http://digitalcourage.de/im-briefen/ Die bis dahin eingegangenen Unterschriften werden dem Innenminister am 4. Juni 2013 in Berlin übergeben.

„Noch ist es nicht zu spät, die vollständige Erosion des Datenschutzes aufzuhalten,“ animiert Max Schrems von Europe versus Facebook alle Bürgerinnen und Bürger, das Anliegen mit ihrer Unterschrift zu stützen.

Erstunterzeichnende:

  • Berufsverband der Datenschutzbeauftragten Deutschlands e.V. (BvD)
  • Campact .e.V.
  • Chaos Computer Club e.V. (CCC):
  • Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD)
  • DGB (angefragt)
  • Digitalcourage e.V. (vormals FoeBuD)
  • Digitale Gesellschaft e.V.
  • Dreigroschen e.V.
  • Europe versus Facebook
  • Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche
  • Verantwortung e.V. (FIfF)
  • Franz Künstler e.V.
  • Humanistische Union (HU)
  • ver.di (angefragt)

Der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

als Innenminister vertreten Sie die Bundesrepublik Deutschland im Ministerrat bei der Reform des EU-Datenschutzes. Mit Freude haben wir Ihre Äußerungen in den Medien registriert, dass Sie nicht mehr auf das erfolglose Konzept der „Selbstregulierung“ der Wirtschaft setzen, sondern sich für stärkeren Datenschutz durch gesetzliche Regelung aussprechen.

Demgegenüber hören wir aus Verhandlerkreisen in Brüssel, dass Deutschland hier mitnichten für starken Datenschutz eintritt, sondern tatsächlich das heutige Datenschutzniveau weiter absenken will.

Da in Zukunft die europäische Datenschutzverordnung unser deutsches Datenschutzgesetz direkt ersetzt, betrifft uns eine Verschlechterung des Datenschutzniveaus unmittelbar.

Wir fordern Sie auf: Lassen Sie Ihren Worten Taten folgen. Wir fordern einen einfachen und starken Datenschutz in Europa, mindestens mit folgenden Punkten:

  • Klare Regeln: Unternehmen brauchen eine ausdrückliche Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger für die Datenverarbeitung. „Legitime Interessen“, die die Datenverarbeitung auch ohne Zustimmung erlauben, müssen klar begrenzt und streng geregelt werden.
  • Keine Datenveruntreuung: Unternehmen und Behörden dürfen nur Daten sammeln, die sie wirklich brauchen, und sie später nicht für einen anderen Zweck wiederverwenden. Die vorgeschlagene nachträgliche Zweckänderung (z.B. Rechnungsdaten für Marketing oder Scoring nutzen) würde Missbrauch Tür und Tor öffnen.
  • Kein „Wegdefinieren“: Wir fordern klare, umfassende Definitionen und einfache, verständliche Regeln in ganz Europa. Es darf nicht sein, dass Zentralbegriffe wie „Daten“ in der Verordnung so eng oder unklar definiert werden, dass am Ende faktisch keine Datenverwendung mehr darunter fällt.
  • Schlupflöcher stopfen: Datenschutz darf nicht durch zahlreiche Ausnahmen uneffektiv werden. Datenschutz muss für alle Unternehmen gelten, die in Europa Geschäfte machen. Ausnahmeregelungen dürfen es findigen Konzern-Juristen nicht ermöglichen, das Datenschutzrecht faktisch außer Kraft zu setzen.
  • Beschäftigtendatenschutz: Die EU-Verordnung soll als verbindlicher europäischer Mindeststandard auch für Beschäftigte gelten und zusätzlich strengere nationale Gesetze ermöglichen.

Wirksame Durchsetzung: Recht und Ordnung müssen auch im Datenschutz gelten. Dazu brauchen wir unabhängige Datenschutzbeauftragte, wirksame Kontrollen und spürbare Strafen bei Verstößen.

Wir bitten Sie als den verantwortlichen Minister, zu diesen Forderungen Stellung zu nehmen und freuen uns auf Ihre Antwort bis zum 29. Mai 2013.

Datenschutz ist unser Grundrecht. Sprechen Sie sich im Ministerrat für einen starken Datenschutz aus. Verteidigen Sie das deutsche Datenschutzniveau als Mindeststandard für Europa und stellen Sie sich gegen den Einfluss der Konzernlobbyisten, die Datenschutz bekämpfen. Schützen Sie unsere Grundrechte und ermöglichen Sie einen fairen Wettbewerb in Europa.

Mit freundlichen Grüßen

(Unterzeichner/innen)