Seit Anfang Januar liegen die ersten Vorschläge des EU-Parlaments für die große europäische Datenschutzreform vor. In einer Verordnung und in einer Richtlinie soll das Datenschutzrecht europaweit verbindlich geregelt und vereinheitlicht werden. In den kommenden Monaten finden die ersten entscheidenden Abstimmungen im EU-Parlament statt – und Industrievertreter versuchen mit noch nie dagewesenen Lobbyanstrengungen in Brüssel gegen einen besseren Datenschutz für Europas Bürger vorzugehen.

Zu den Veröffentlichungen der Gruppe „Lobbyplag“, die teilweise wortwörtliche Übernahmen von Wirtschaftslobbyisten in Änderungsvorschläge von Mitgliedern des Binnenmarkt- und Verbraucher- sowie des Justiz-Ausschusses des EU-Parlaments aufdeckt, erklärt Markus Beckedahl, Vorsitzender des Digitale Gesellschaft e. V.:

„Nun ist offensichtlich geworden, was wir schon vermuten mussten: einige EU-Parlamentarier sind offenbar Wirtschafts- und keine Volksvertreter.“

Seit gestern zeigt Lobbyplag, eine Initiative von OpendataCity und dem Journalisten Richard Gutjahr, welche Passagen direkt aus der Lobbyistenfeder übernommen wurden.

„Diese EU-Datenschutzreform bietet eine historische Chance, Regeln für die privatisierten Öffentlichkeiten im Internet aufzustellen“, so Markus Beckedahl weiter. „Nur ein europaweit einheitliches und hohes Datenschutzniveau mit klaren Regeln schafft Vertrauen und Verlässlichkeit. Dass bestimmte US- aber auch europäische Unternehmen alles daran setzen, sich demokratischen Regeln so weit wie möglich zu entziehen, erstaunt leider kaum“. Sowohl der Europäische Rat als auch das Parlament hatten die Kommission 2011 dazu aufgefordert, den Datenschutz auf höchstem Niveau zu vereinheitlichen.

„Auch der Bundesinnenminister hat sich bisher eher als Lobbyist für Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen denn als Kämpfer für den grundgesetzlich garantierten Schutz der Privatsphäre in die Diskussion eingebracht“, kritisiert Markus Beckedahl, „Europa muss hier den weltweiten Standard für Grundrechte im digitalen Zeitalter setzen und darf nicht vor Wirtschaftsinteressen einknicken.“ Der Digitale Gesellschaft e. V. fordert insbesondere die 99 deutschen Europaparlamentarier und den Bundesinnenminister dazu auf, die Datenschutzreform nicht einer „Lobby und Paste“-Gesetzgebungsparodie werden zu lassen, sondern sich für die Grundrechte aller Europäischen Bürger stark zu machen.

Wie der komplexe europäische Rechtsetzungsprozess funktioniert, erklärt der Digitale Gesellschaft e. V. in seiner Broschüre „Ein Wegweiser durch das Brüsseler Labyrinth“ (PDF).

Die größten Streitpunkte der EU-Datenschutzreform erläutert der Digitale Gesellschaft e. V. in seiner Publikation „Brüssel entscheidet über Deine Daten – die EU-Datenschutzverordnung in 10 Punkten“ (PDF).

Konkrete Forderungen der Zivilgesellschaft an die EU-Abgeordneten finden sich in der Brüsseler Erklärung zur Datenschutzreform, die wir gemeinsam mit anderen europäischen und außereuropäischen zivilgesellschaftlichen Gruppen unterstützen.

Die wichtigsten Informationen zum Thema zusammengefasst und aufbereitet finden sich auf unserer Kampagnenseite. Dort gibt es auch eine Liste der wichtigsten Abgeordneten mit Kontaktmöglichkeit.