Die EU-Kommission hat im Rahmen eines Konsultation zu Stellungnahmen bezüglich ihrer Breitbandpolitik aufgerufen und wir haben geantwortet: Stellungnahme Digitale Gesellschaft e.V zum: „ENTWURF – Leitlinien der EU für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau“.

Die EU-Kommission erkennt (im Gegensatz zur Bundesregierung) mit diesem Leitlinienentwurf offiziell an, dass der Wettbewerb zwischen privatwirtschaftlichen Netzbetreibern im vergangenen Jahrzehnt keine ausreichende Lösung für eine flächendeckende Versorgung mit  Breitbandnetzen herbeigeführt hat. Sie bekennt sich weiter dazu, dass der Zugang zu solchen Netzen für alle Bürgerinnen und Bürger und deren Teilhabe am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben grundlegend ist.

Zugleich grenzen die vorgeschlagenen Leitlinien die staatliche Förderung des Breitbandausbaus eng ein. Dass dabei ein diskriminierungsfreier Zugang und das Verbot vertikaler Integration für mit öffentlichen Geldern geförderte Breitbandnetze festgeschrieben  werden soll, ist zu begrüßen. Eine zeitliche Begrenzung solcher Zugangsgarantien auf sieben Jahre allerdings widerspricht dem Grundgedanken fairer und flächendeckender Grundversorgung.

Positiv sind auch die Hinweise auf die in einigen EU-Mitgliedsstaaten bereits praktizierten Möglichkeiten den Breitbandausbau in Kombination mit anderen Baumaßnahmen bspw. im Bereich Verkehrsinfrastruktur, der  Energie- oder Wasserversorgung verbindlich vorzuschreiben. Auch die ebenfalls schon in Einzelländern in Umsetzung befindliche mögliche Verpflichtung der Netzbetreiber, Infrastruktur gemeinsam zu nutzen, erscheint sinnvoll. Die meisten Kosten beim Netzausbau verursachen Baumaßnahmen, die so sinnvoll geteilt und gedeckelt werden können.

Die  Vorbedingung, dass Förderung auf die Schaffung von Marktanreizen hin zu konzipieren sei, wird kombiniert mit der Möglichkeit, nur bestimmte  Teile des Ausbaus zu fördern, um damit den weiteren wettbewerblichen  Ausbau anzuschieben. Damit begrenzt die Kommission die Möglichkeiten des  Breitbandausbaus jenseits des (bisher an der Erfüllung der gestellten  Aufgabe gescheiterten) Wettbewerbs privater Netzbetreiber massiv. Regelungsvorschläge wie die Bedingung, dass mindestens die nächsten drei  Jahre keine privatwirtschaftliche Investition zu erwarten sind,  verringern die Einsatzmöglichkeiten öffentlicher Förderung weiter.

Dass  die Identifizerung förderungswürdiger Regionen an die Erstellung von Breitbandkarten und die Analyse der Breitbandabdeckung gekoppelt wird, mag dem verständlichen Ziel geschuldet sein, Subventionsmissbrauch zu  begrenzen. Die Art und Weise, wie in Deutschland die Bundesnetzagentur aufgrund freiwilliger Angaben der Netzbetreiber ihren Versorgungsatlas erstellt, lässt aber befürchten, dass weit weniger Förderungen erfolgen als tatsächlich notwendig sind, da die Karten und Analysen einen weit höheren Ausbaugrad behaupten, als tatsächlich vorhanden sind. Zumindest der deutsche Breitbandatlas beruht auf den freiwilligen Angaben der Netzbetreiber und kann so nicht als verlässliche Grundlage für Aussagen über den wirklichen Ausbaustand herangezogen werden.

Der Verein Digitale Gesellschaft bezweifelt, dass mit einem derart eng eingegrenzten Katalog an Fördermöglichkeiten eine flächendeckende  Breitbandversorgung mit den Zielmarken der EU (100% Abdeckung bei 30Mbit/s bzw. 50% Abdeckung bei 100 Mbit/s bis 2020) möglich wird. Selbst nach den Eigenangaben der Netzbetreiber ist beispielsweise Deutschland derzeit weit entfernt von diesem Ziel. So scheint das nationale Ziel, bis 2014 75% der Haushalte mit 50 Mbit/s zu versorgen,  bei einem derzeit von den Netzbetreibern behaupteten Ausbaustand von 40% eher utopisch.

Weiter scheint die starke Fixierung auf wettbewerbliche Selbstregulierung im Bereich dieser Daseinsvorsorge darauf ausgelegt, vor allem bestehende klassische Wettbewerbsteilnehmer zu subventionieren. Diese aber haben aber schon in der Vergangenheit  bewiesen, dass sie zu einem flächendeckendem Aufbau von breitbandigen Netzen nicht willens oder in der Lage sind.

Darüber hinaus haben sie sich in der Vergangenheit nicht klar zu den Grundsätzen der Netzneutralität bekannt und verletzen diese auch immer wieder.

Der Verein Digitale Gesellschaft fordert deshalb, Maßnahmen beim Breitbandausbau zu fördern und auch in den Beihilferichtlinien zu definieren, die es regionalen  Betreibergemeinschaften ermöglichen, sogenannte OpenAccess-Netze unter Wahrung der Netzneutralität zu errichten, auszubauen und zu betreiben. Der freie und wettberwerbliche Zugang auf der Content- und Kommunikationsebene soll davon wie im Richtlinienvorschlag  festgeschrieben, nicht betroffen sein.

Eine solche Erweiterung des Richtlinienvorschlags würde insbesondere aktuelle Entwicklungen im ländlichen Raum aufgreifen und unterstützen. Wo Netzausbau für  Massenanbieter kommerziell uninteressant ist, sind in den letzten Jahren regionale ISPs auf Basis von Genossenschafts- oder aehnlichen Modellen entstanden. Teilweise geschah dies gegen den passiven Widerstand der privatwirtschaftlichen Netzbetreiber oder es wurde überraschend doch ein für „irgendwann“ geplanter ADSL/VDSL-Ausbau vorgezogen, als sich eine Interessensgemeinschaft bildete, die  beabsichtigte einen solchen öffentlich-rechtlichen ISP zu gründen. Eine solche Investitionspolitik spricht aber nicht für ein langfrstiges Engagement privater Netzbetreiber für den weiteren zu erwartenden Ausbau der Breitbandkapazitäten in entsprechenden schwach versorgten Regionen. Die bestehenden OpenAccess-netze und geplante Projekte benötigen dringend Planungs- und Rechtssicherheit, die ihnen momentan zumindest in Deutschland nicht gegeben ist. Hier müssten klare Förderrichtlinien für diese konkreten Formen der Investition in Breitbandnetze Abhilfe schaffen.

Im Sinne einer gestärkten Eigenverantwortung von kommunalen und regionalen Verbünden und mit dem Verständnis, dass ein zeitgemäßer Netzzugang zur Grundversorgung der Bürgerinnen und Bürger gehört, spricht sich Digitale Gesellschaft für die Ermöglichung und Förderung einer unabhängigen regionalen Netzinfrastruktur aus, die nicht um jeden Preis dem freien Spiel der Marktkräfte zugeführt werden sollte. Sie ist als Grundversorgung elementar für die soziale, kulturelle  und aber auch wirtschaftliche Anbindung einzelner Regionen an den Rest Europas.

Völlig unbedacht bleibt bei einer auf quantitative Ausbauziele ausgerichteten Förderpolitik, dass die Gegenden ohne Abdeckung in besonderem Maße auf breitbandige Internetzugänge angewiesen  sind, um ihren Standortnachteil weit ab von den Ballungszentren auszugleichen. Dies gilt für politische, soziale und kulturelle Teilhabe oder Dinge wie E-Government und E-Health, die eine immer schlechter ausfallende Infrastruktur vor Ort in diesem Bereichen partiell  ausgleichen könnte. Insbesondere aber gilt dies für die wirtschaftliche Anschlussfähigkeit. In der Kommunikation mit Kunden sind auch Betriebe im produzierenden Gewerbe immer mehr auf Breitbandnetze angewiesen, beispielsweise bei der Verschickung von Planungsdaten oder ähnlichem. Bedenkt man, dass selbst die rund 1,5% der deutschen Haushalte ohne Zugang zu einer Mindestbandbreite von 1 Mbit/s(!) in absoluten Zahlen 700.000 sind, wird schnell klar, dass auch eine statistisch fast vollständige Abdeckung bedeuten kann, dass ganze Landstriche von der „digitalen Daseinsvorsorge“ ausgeschlossen bleiben.

Auch wenn die vorgeschlagenen Förderrichtlinien es sicher den einzelnen Staaten  ermöglichen, solche Versorgungslücken zu schließen, wären besondere Erleichterungen einer Förderung des Ausbaus an solchen Stellen, ein deutliches Signal und ein direkter Anreiz, die von solchen Leitlinien ausgehen könnten.

Auch wenn dies nicht Teil einer Richtlinie für die Einsatzmöglichkeiten staatlicher Mittel ist, muss doch im Zusammenhang mit dem Breitbandausbau auf ein weiteres politisches Förderinstrument  hingewiesen werden. Insbesondere Finnland zeigt mit der Festschreibung von Breitbandzugängen als Universaldienst, wie ein Breitbandausbau auch politisch vorangetrieben wird. Eine europaweite Festsetzung eines solchen Universaldienstes würde kombiniert mit einer an den Bedürfnissen der Endnutzer, ganz gleich wo sie sind, orientierten staatlichen Subventionspolitik, den weiteren Auf- und Ausbau von Hochleistungsinternetzugängen ebenfalls beschleunigen.