Accessnow, EDRi und TACD haben gemeinsam eine Broschüre mit Fakten und Argumenten zum aktuellen Stand des ACTA-Abkommens verfasst, die in einer englischen Version an alle Europaabgeordneten verschickt wurde. Wir haben die Broschüre übersetzt, da auch hierzulande viel mehr Menschen sich darüber informieren sollten und mit dem gesammelten Wissen in die Lage versetzt werden, sich bei unseren Europaabgeordneten zu melden. Unsere Übersetzung findet sich hier als PDF und der Inhalt auch hier als Text:
Warum ist ACTA so umstritten? Und warum sich Politiker und Bürger dafür interessieren sollten!
WAS IST ACTA?
Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) ist ein multilaterales Abkommen, das internationale Standards für die Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte vorschlägt. Das Abkommen wurde von einer handvoll Staaten in Abstimmung mit bestimmten Teilen der Industrie ausgehandelt und ist sowohl in seinem Entstehungsprozess als auch bezüglich des Inhalts umstritten.
Diese Broschüre soll einen kurzen Überblick über alle Fragen rund um das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) geben, um so einen Einblick in die Ursachen des breiten Widerstandes gegen das Abkommen zu verschaffen.
Die Art und Weise, in der ACTA ausgehandelt wurde, hat es seiner demokratischen Glaubwürdigkeit und Rechtsklarheit beraubt. Eine Ratifizierung würde außer der Schädigung des internationalen Handels und Erstickung von Innovationen auch erhebliche Auswirkungen auf Meinungsfreiheit, den Zugang zu Kultur und Datenschutz haben.
Auf nationaler Ebene beginnt der Ratifizierungsprozess von ACTA derzeit in verschiedenen Mitgliedstaaten, wobei die Bedeutung des Abkommens in vielen Ländern unterschätzt wird. Während dieses Prozesses und vor der endgültigen Ratifizierungsabstimmung über ACTA auf EU-Ebene, fordern die Autoren dieser Broschüre die europäischen Politiker dazu auf, die Auswirkungen von ACTA erst gründlich zu prüfen. Da es keine weiteren zufriedenstellenden Zusicherungen und Klarstellungen seitens der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs gibt, fordern wir das Europäische Parlament dazu auf, im bevorstehenden „Genehmigungsverfahren“ mit „nein“ zu stimmen.
MANGEL AN DEMOKRATISCHER GLAUBWÜRDIGKEIT
- ACTA hat etablierte multilaterale Foren wie WIPO und WTO umgangen, die auf demokratischen Prinzipien und Offenheit basieren und über klare Verfahrensgarantien verfügen.
- ACTA wurde hinter verschlossenen Türen ausgehandelt, unter Ausschluss der meisten Entwicklungsländer, mit geringer demokratischer Rechenschaftspflicht auf UN-, EU- oder nationaler Ebene.
- ACTA strebt die Schaffung einer neuen Institution an, den „ACTA Ausschuss“, ohne gleichzeitig die Garantien oder Verpflichtungen dieses neuen Gremiums für eine offene, transparente und integrative Arbeitsweise zu definieren, mit der es öffentlich überprüft werden könnte.
- Der nicht gewählte „ACTA-Ausschuss“ wird für die Umsetzung und Auslegung des Abkommens verantwortlich und sogar dazu in der Lage sein, ohne jegliche öffentliche Rechenschaftspflicht Änderungen an der Vereinbarung vorzunehmen, nachdem diese angenommen wurde.
- Bis heute hat keine am ACTA-Abkommen beteiligte Partei der Öffentlichkeit Zugang zu den Verhandlungsdokumenten gewährt, der notwendig wäre, um die vielen mehrdeutigen und unklaren Elemente des Textes auswerten zu können.
- Die Kommission hat keine Folgenabschätzung speziell für das ACTA vorgenommen, sondern einfach alte wiederverwendet, die für die Richtlinien zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentumsn(I und II) erstellt wurden. Es wurde keine Folgenabschätzung für Auswirkungen auf die Grundrechte durchgeführt, insbesondere bezüglich Drittländer, die oft nicht über die gleichen Datenschutz-, Meinungsfreiheits- und rechtsstaatlichen Garantien verfügen, wie die EU.
GEFAHREN FÜR DIE MEINUNGSFREIHEIT UND DEN ZUGANG ZU KULTUR
- Die Interessen der Rechteinhaber werden Meinungsfreiheit, Datenschutz und anderen fundamentalen Rechten übergeordnet.
- ACTA legt die Regulierung der Meinungsfreiheit in die Hände privater Unternehmen, da das Abkommen Dritte, wie zum Beispiel Internet-Provider, dazu verpflichtet Online-Inhalte zu überwachen, deren Rolle es nicht ist, über Meinungsfeiheit zu bestimmen.
- ACTA könnte den Nutzen des kulturellen Erbes unserer Gesellschaft behindern, da es Strafen und kriminelle Risiken erhöht, sobald man Werke nutzen möchte, deren Eigentümer oder Rechteinhaber schwierig zu identifizieren oder zu lokalisieren sind (sogenannte „verwaiste Werke“).
- Die endgültige Fassung des Abkommens, dessen Bedeutung nicht vor der Ratifizierung klargestellt wurde, ist vage und könnte so ausgelegt werden, dass zahlreiche Bürger für geringfügige Vergehen kriminalisiert werden.
GEFAHREN FÜR DEN DATENSCHUTZ
- ACTA drängt Internet-Provider zur Überwachung ihrer Netzwerke und zur Offenlegung persönlicher Daten der angeblichen Rechteverletzer. Anwälte und vermeintliche Urheberrechts-Inhaber in Europa, nutzen bereits Zwangstaktiken, um unschuldige Nutzer durch die Erhebung großer Summen für „Abfindungszahlungen“ zu instrumentalisieren und so Gerichtsverhandlungen zu verhindern. Das ist eine Politik, die die EU versuchen sollte zu verbieten und nicht zu exportieren.
- Eine erhöhte Vermittler-Haftung würde Internet-Providern zu Unrecht einen Anreiz für die Überwachung ihrer Netzwerke und die vermehrte Verwendung eingreifenderer Mittel zur Identifizierung vermeintlicher Rechtsverletzer schaffen, wie z. B. großflächige Kommunikationsüberwachungen mithilfe von „Deep Packet Inspection“. Dadurch wird die Privatsphäre der Nutzer grob verletzt.
HINDERNISSE FÜR INNOVATION
- ACTA könnte einen abschreckenden Effekt auf Innovationen ausüben. Wenn man bedenkt, dass Innovationen, wie z. B. in der Softwareentwicklung, häufig in rechtlichen „Grauzonen“ entstehen, scheint es unvermeidlich, dass das ACTA-Abkommen neue digitale und andere industrielle Neuerungen hemmen wird, da Entwickler Angst vor hohen Geldstrafen und strafrechtlichen Maßnahmen in Fällen einer unabsichtlichen Verletzung des Urheberrechts haben müssen.
- Härtere Strafen könnten Unternehmensgründer abschrecken, die es sich nicht leisten können, Rechtsstreitigkeiten auzutragen.
- Das ACTA-Abkommen kann wettbewerbswidriges Verhalten fördern. Da Internetanbietern rechtliche Verantwortlichkeiten auferlegt werden, werden kleine Internet-Firmen nicht die Kapazitäten aufbringen können, um die rechtlichen Anforderungen erfüllen können, was größeren Firmen einen signifikanten Vorteil verschafft.
SCHADEN FÜR DEN HANDEL
- Auch wenn die EU das ACTA-Abkommen als rechtlich bindenden Vertrag auffassen würde, haben die Vereinigten Staates bereits deutlich gemacht, dass sie das ACTA-Abkommen als unverbindliche „Vereinbarung“ betrachten. Das könnte zu Problemen der Rechtsunsicherheit im Hinblick auf den Status des ACTA-Abkommens führen und den US eine höhere Flexibilität ermöglichen, die wiederum einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der EU schafft.
- Die Vorschläge des ACTA-Abkommens, die den Datenschutz und die Meinungsfreiheit betreffen, werden in Staaten exponentiell gefährlicher sein, in denen eine grundrechtliche Gesetzgebung fehlt.
- Das ACTA-Abkommen könnte unfaire Handelsschranken für den internationalen Handel schaffen. Wie China bereits bewiesen hat, können informelle und nicht gesetzeskonforme Vereinbarungen mit Internet-Providern leicht als nicht-tarifäre Handelsbeschränkungen verwendet werden.
FEHLENDE RECHTSKLARHEIT
- Der Wortlaut des ACTA-Abkommens ist vage, was zu Rechtsunsicherheit im Hinblick auf verschiedene zentrale Begriffe führt.
- Durch die Einführung höherer Durchsetzungsnormen als die derzeit existierenden (z. B. TRIPS), mit nur vagen und undurchsetzbaren Verweisen auf Garantien, ist das ACTA-Abkommen nicht an den aktuellen internationalen Rechtsstandards ausgerichtet.
- Das ACTA-Abkommen wird den europäischen Standards zum Schutz und zur Förderung der Universalität, Integrität und Offenheit des Internets, wie vom Europarat umrissen, nicht gerecht. Dieser hat bekräftigt, dass „Staaten die Verantwortung dafür tragen, dass in Übereinstimmung mit den anerkannten Standards der internationalen Menschrechte und den Grundsätzen des Völkerrechts, sichergestellt wird, dass ihre Aktionen keine nachteiligen grenz-überschreitenden Auswirkungen auf den Zugang und die Nutzung des Internets haben“.
SCHLUSSFOLGERUNG
Das ACTA-Abkommen kann schwerwiegende Auswirkungen haben, wenn es nicht das richtige Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Urheberrechts und der Wahrung der Grundrechte einer gesamten Gesellschaft, wie Meinungsfreiheit, den Zugang zu Informationen und Kultur und Datenschutz, findet.
Das Europäische Parlament hat die Problematik des Abkommens bereits in einer eigenen Studie zu ACTA, einschließlich seiner schwerwiegenden rechtlichen Mängel, herausgestellt. Diese macht deutlich, dass es „schwierig ist, einen signifikanten Vorteil aufzeigen zu können, den das ACTA-Abkommen den EU-Bürgern über den schon bestehenden internationalen Rahmen hinaus bieten würde“.
Die Studie empfiehlt, dass „eine uneingeschränkte Zustimmung eine unange-messene Reaktion des Europäischen Parlaments wäre, angesichts der Probleme, die in der jetzigen Fassung des ACTA-Abkommens identifiziert wurden“.
Wir fordern die europäischen Politiker dazu auf, die Auswirkungen des ACTA-Abkommens in vollem Umfang zu berücksichtigen.
Ohne weitere zufriedenstellende Zusicherungen und Klarstellungen seitens der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs, fordern wir das Europäische Parlament dazu auf, im bevorstehenden „Genehmigungsverfahren“ mit „nein“ zu stimmen.
Eine Katastrophe, wenn das käme. Es beißt sich mit etlichen Grundrechten und wäre auch wirtschaftlich extrem schädlich. Ärgerlich ist diese Demokratieunterwanderung, was man auch bei dem elenden MAI-Abkommen beobachten konnte.
DDR läst grüssen
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