Ab diesem Donnerstag wird in Brüssel über eine Verordnung verhandelt, die die Verbreitung terroristischer Inhalte im Internet einschränken soll. Nach der Urheberrechtsreform drohen damit die nächsten Uploadfilter. Durch schwammige Definitionen können auch Aufrufe zu zivilem Ungehorsam, journalistische Beiträge und Aufklärungsarbeit erfasst werden.

Der Vorschlag der Kommission vom letzten Herbst geht auf eine Initiative von Bundesinnenminister Horst Seehofer zurück. Plattformen sollen nach dem Entwurf nicht nur gezwungen werden, Uploads automatisch zu filtern. Praktisch müssen auch kleinste Foren einen 24-Stunden-Dienst einführen, um der einstündigen Löschfrist bei behördlicher Anordnung zu entsprechen. Schließlich ermöglicht die Verordnung autokratischen Regierungen europäischer Staaten, unliebsame Beiträge EU-weit verschwinden zu lassen. Der Rat stimmte diesem Entwurf mit geringfügigen Änderungen zu. „Aus grundrechtlicher und demokratischer Perspektive ist der Kommissionsvorschlag katastrophal gefährlich“, bewertet Elisabeth Niekrenz, Juristin und politische Referentin der Digitalen Gesellschaft.

Das EU-Parlament hat dem im April einen gemäßigten Vorschlag entgegengestellt, in dem die Terrorfilter gestrichen wurden. Durch eine schwammige Terrorismusdefinition und kurze Löschfristen bleiben aber Einschränkungen der Meinungsfreiheit zu befürchten.

Die EU-Institutionen müssen sich nun im Trilogverfahren auf einen Kompromiss einigen. „Nachdem die Regierungsparteien Union und SPD nach Verabschiedung der Urheberrechtsreform mehrfach behauptet haben, Uploadfilter verhindern zu wollen, müssen sie nun entschieden gegen die Pflicht zu Terrorfiltern eintreten“, fordert Elisabeth Niekrenz.

Uploadfilter schaffen eine technische Infrastruktur, mit der bestimmte Inhalte massenhaft automatisiert gesperrt werden. Sie können terroristische Propaganda nicht von Aufklärungsarbeit unterscheiden: Auf Youtube haben sie bereits tausende Videos gelöscht, mit denen die Organisation Syrian Archive Kriegsverbrechen des IS dokumentierte.

„Mit solchen ‚technischen Lösungen‘ für Probleme mit tiefliegenden gesellschaftlichen Ursachen täuschen Politiker und Politikerinnen Handlungsstärke vor. Ob sich damit Anschläge verhindern lassen, ist völlig unklar, während die Kollateralschäden für Demokratie und Freiheit immens sind.“

Eine ausführliche Analyse der Entwürfe von Kommission und Parlament stellen wir auf unserer Website zur Verfügung.

Auf der re:publica 2019 klärte unsere politische Referentin über die Gefahren der Verordnung auf. Den Vortrag gibt es hier zum Nachschauen.

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