Das Bundesinnenministerium (BMI) hat kürzlich einen Konsultationsprozess gestartet, der ein Projekt zur Umsetzung digitaler Identitäten und der „European Digital Identity Wallet“ begleiten soll.

Bereits vor der Bekanntgabe des Prozesses hat das BMI verschiedene Organisationen aus der Zivilgesellschaft eingeladen um die Eckpunkte zu besprechen. Bereits bei diesem Treffen wurde deutlich, dass die Vorstellungen von Zivilgesellschaft und Ministerium sich sowohl inhaltlich als auch in der Ausgestaltung von Beteiligung teilweise deutlich unterscheiden.

Wir haben uns aber dafür entschieden uns an dem Prozess zu beteiligen. Zum einen, da wir es grundsätzlich begrüßen, dass das BMI endlich zumindest versucht, auch zivilgesellschaftliche Akteure einzubinden. Aber auch um einen Gegenpol zu den Interessen der Wirtschaftsverbände zu bilden, die sich in großer Zahl an dem Konsultationsprozess beteiligen und dort mit Nachdruck versuchen werden, ihre Interessen durchzusetzen.

Unsere beim BMI eingereichten Positionen zum Konsultationsprozess dokumentieren wir hier:

Konsultationsprozess zu Digitalen Identitätsnachweisen

Die Digitale Gesellschaft begrüßt grundsätzlich, dass das BMI den Konsultationsprozess durchführt und versucht strukturiert und transparent verschiedene Stimmen, insbesondere auch solche aus der Zivilgesellschaft in der Ausgestaltung der EUdi-Wallet zu Wort kommen zu lassen. Soweit unsere Kapazitäten dies erlauben, bringen wir uns gerne in diesen Prozess ein.

Die Frage nach Digitalen Identitätsnachweisen ist immer wieder Teil unserer Arbeit und insbesondere seit Jahren Gegenstand der Diskussion der digitalen Zivilgesellschaft, für die wir – nicht zuletzt durch das Organisieren von verschiedenen Diskussions- und Austauschformaten – eine wichtige Vernetzungsplattform bieten. Dabei versuchen wir nicht nur die technischen Aspekte, also insbesondere Daten- und IT-Sicherheit sowie den Datenschutz zu diskutieren, sondern auch die gesellschaftlichen Auswirkungen in den Blick zu nehmen, die vermeintlich rein technische Entscheidungen haben. So ist es uns etwa ein zentrales Anliegen, dass die Implementierung von Identitätsnachweisen nicht dazu führen darf, die anonyme bzw. pseudonyme Nutzung des Internets infrage zu stellen oder dass Menschen von öffentlichen oder privaten Leistungen ausgeschlossen werden.

Daraus folgt konkret,

– das Recht auf gleichwertige, nicht-digitale Services zu gewährleisten: Eine Nutzung der eID bzw. der Wallet darf nicht zur Voraussetzung für den Zugang zu staatlichen oder wirtschaftlichen Leistungen werden. Alle Leistungen müssen weiterhin in gleichwertiger nicht-digitaler Form zugänglich sein.

– die Anwendbarkeit zu beschränken: Ein ubiquitär verfügbares elektronisches Identitätensystem birgt die Gefahr, zu Überidentifikation zu führen, also Identifikation in Situationen und Transaktionen üblich werden zu lassen, wo sie rechtlich nicht notwendig ist. Privatwirtschaftlich betriebene Anwendungen, die auf eine zu entwickelnde Wallet nutzen wollen, sollten dies nur tun können, wenn gesetzliche Regelungen dies fordern.

Der Konsultationsprozess schließt an die – bereits sehr weit fortgeschrittenen, aber noch nicht abgeschlossenen – Verhandlungen über die Novellierung der eIDAS-Verordnung sowie die Beteiligung an den Large Scale Pilots durch das POTENTIAL-Konsortium an.

Obwohl wesentliche Weichen also bereits gestellt sind, gehen wir davon aus, dass im Rahmen des Konsultationsprozesses auch die verbliebenen Möglichkeiten erörtert werden, die die Bundesregierung hat, diesen Rahmen noch zu gestalten. Insbesondere in Fragen der Personenkennung und der Open-Source-Bereitstellung sollte sich die Bundesregierung im Ministerrat klar gegen die Einführung einer eindeutigen, dauerhaften Personenkennung sowie für eine verpflichtende Bereitstellung der Codes unter FOSS-Lizenzen positionieren.

Wir sehen den aktuellen Konsultationsprozess als einen Auftakt für weitere und weitgehendere Beteiligungsverfahren, in denen die Zivilgesellschaft bereits in der Erarbeitung der grundlegenden Entscheidungen und nicht erst in der technischen Umsetzung eingebunden wird. Voraussetzung einer ernsthaften Einbindung der Zivilgesellschaft ist aber ein grundlegendes Verständnis ihrer Arbeitsweise. Insbesondere weisen wir darauf hin, dass Diskussionsprozesse, insbesondere mit weniger technisch ausgerichteten Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit der digitalen Zivilgesellschaft ist. Diese Prozesse brauchen nicht nur Zeit, sondern auch personelle und finanzielle Ressourcen, die der Zivilgesellschaft nicht im gleichen Maße zur Verfügung stehen, wie staatlichen und vor allem wirtschaftlichen Akteuren.

Wir können daher noch nicht absehen, in welchem Maße wir uns tatsächlich in den konkreten Konsultationsprozess einbringen können, der nicht nur einen ambitionierten Zeitplan vorsieht, sondern im wesentlichen während der Berliner Sommerferien stattfindet.

Weitere Informationen zum Konsultationsprozess findet Ihr hier.

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