Am 4. September zog die Großdemo #UNTEILBAR durch Berlin. Aufgerufen hatten über 350 einzelne Gruppen und Vereine für ein solidarisches Miteinander, faire Löhne, bezahbare Mieten, einen schnellen Wandel in der Klimapolitik, gegen den Rechtsruck und für eine offene Gesellschaft auf die Straße zu gehen. Die DigiGes hatte gemeinsam mit dem Republikanischen Anwältinnen und Anwälteverein (RAV) den Wagen für Demokratie und Menschenrechte organisiert.

Aufgrund der Hygienebestimmungen war der Demonstrationszug weit auseinandergezogen, daher wirken die Straßen trotz geschätzt 30.000 Protestierenden leider recht leer.

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Hier unser Redebeitrag:

Wir sind heute hier mit Euch auf der Straße, weil der Kampf für unteilbare Menschenrechte und eine offene Gesellschaft nötiger denn je ist.

Auch 2018 waren wir Teil des Bündnisses. Wir haben damals klar gesagt, dass wir es nicht zulassen werden, wenn Grund- und Freiheitsrechte weiter eingeschränkt werden. Dass wir entschieden für eine offene Gesellschaft einstehen. Das gilt heute – mehr denn je – auch für den digitalen Raum. Denn gesellschaftliche und politische Diskussionen haben sich weiter aus dem analogen Raum ins Internet verlagert.

In der letzten Zeit wird viel darüber diskutiert, welchen Schaden die Geschäftsmodelle großer Plattformen anrichten. Aber der herrschenden Politik fällt nicht viel mehr ein, als in ihren autoritären Reflexen nach Verboten und mehr Befugnissen für die Sicherheitsbehörden zu rufen. Dass sie an den Grundlagen eines freien Internets rütteln, ist vielen Beteiligten nicht einmal klar.

Derzeit wird in Brüssel über eine neue Plattformregulierung verhandelt, die zu einschneidenden Veränderungen führen könnte. Und wenn wir nicht gut aufpassen, drohen fundamentale Grundrechte zwischen Massenüberwachung und den Lobbyinteressen der großen Internetkonzerne zerrieben zu werden. Denn statt endlich die Geschäftsmodelle der großen Techunternehmen grundlegend infrage zu stellen, sieht es so aus, als ob wieder einmal die Nutzerinnen und Nutzer in den Fokus der Regulierung rücken.

Detail - Demowagen mit Paula

Statt die Marktmacht der großen Konzerne selbst anzugreifen, wird ein wenig an deren Auswüchsen herumgedoktert. Statt verhaltensbasierte Werbung zu verbieten und der Sammlung gigantischer Datenmengen durch Google und Co einen Riegel vorzuschieben, müssen Nutzerinnen und Nutzer weiter versuchen, nicht rund um die Uhr getrackt und mit fragwürdigen Inhalten und personalisierter Werbung zugemüllt zu werden. Statt die Regeln, nach denen auf Plattformen kommuniziert wird offenzulegen, werden Nutzerinnen und Nutzer gegängelt. Und statt rechtsstaatliche Verfahren auch im Netz zu garantieren, wird den Plattformen selbst die Rolle zugewiesen über die Rechtmäßigkeit von Inhalten zu entscheiden.

Schon jetzt nehmen sich autoritäre Regierungen das deutsche NetzDG ausdrücklich zum Vorbild, gegen ihre Kritikerinnen und Kritiker vorzugehen. Auch in Europa wird dieser autoritäre Holzweg als Vorbild gepriesen. Mehr noch: Mittlerweile wird offen gefordert, mittels umfassender Uploadfilter sämtliche Inhalte, die hochgeladen werden, nach vermeintlich rechtswidrigen Inhalten zu durchsuchen. Und machen wir uns keine Illusionen: So etwas würde nicht die Nazis und Rassisten treffen, die in der öffentlichen Diskussion immer wieder herangezogen werden. Die haben längst ihre Codes und wissen, wie man Facebook und Co an der Nase herumführt. Es würde die queere Community in Osteuropa treffen, die kriminalisiert und immer weiter aus der Öffentlichkeit gedrängt wird. Es würde kurdische Aktivistinnen treffen, denen nicht nur die türkische Regierung Terrorismus unterstellt. Es würde Sexarbeiterinnen treffen, deren Kriminalisierung wieder offen gefordert wird und Geflüchtete, die sich über Fluchtrouten austauschen. Und selbst die freie journalistische Berichterstattung wäre gefährdet, wenn notwendig fehlerhafte und vor allem: missbrauchsanfällige automatisierte Entscheidungssysteme über das Erscheinen von Onlinebeiträgen entscheiden.

Lautsprecherwagen

Wir wehren uns gegen eine Regulierung, die die Freiheitsrechte aller Menschen beschränkt und die Entscheidung über die Grenzen der Meinungsfreiheit in die Hände von Polizei und großen Internetkonzernen legt. Der Kampf gegen rechte Propaganda und Verschwörungsideologien ist unteilbar mit dem Kampf für eine offene und freie Gesellschaft verbunden. Wir werden ihn nur gewinnen, wenn wir deren Grundlagen verteidigen.

Dass diese ernsthaft in Gefahr sind, haben die letzten Jahre noch einmal eindrücklich unter Beweis gestellt:

Die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden wurden massiv ausgeweitet: Quellen-TKÜ und Staatstrojaner untergraben die Sicherheit der Kommunikation aller Menschen. Polizei und Geheimdienste arbeiten immer enger zusammen. Der BND versucht mit der NSA zu konkurrieren und durchleuchtet einen großen Teil der weltweiten Kommunikation. Die Videoüberwachung im öffentlichen Raum wird ausgebaut und Gesichtserkennung zur Alltagstechnologie. Alle paar Monate gibt es neue Strafgesetze und in den Augen deutscher Gerichte begründet allein das Benutzen eines verschlüsselten Telefons den Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

In den letzten Jahren haben zehntausende gegen die Verschärfung der Polizeigesetze protestiert. In NRW stellt sich ein breites Bündnis aus Grundrechtsorganisationen, Fußballfans, Klimaaktivistinnen und Antiragruppen gegen ein neues autoritäres Versammlungsgesetz.

Doch genauso, wie wir unsere demokratischen Rechte verteidigen, uns den öffentlichen Raum selbstbestimmt zu nehmen, müssen wir um diese Rechte auch im digitalen Raum kämpfen.

Für ein freies Internet und für eine offene und solidarische Gesellschaft!

Reclaim Your Face - Banner vor Lautsprecherwagen

Parallel nutzen wir die erste Demo seit langem, um für die Europäische Bürgerinitiative „Reclaim Your Face!“  zu werben.