Die Redaktion von heute.de hat uns für einen Gastkommentar zum Thema „Netzkontrolle“ angefragt. Der Anfrage sind wir gerne nachgekommen und haben diesen Kommentar geschrieben: „Brandgefährlicher Stammtischquatsch“.
Immer wenn etwas passiert und der Täter einen Internetzugang hatte, wird der Ruf nach „mehr Kontrolle“ laut. Politiker machen Netzpolitik auf Stammtischniveau. Und damit das Internet kaputt – und mittelfristig die demokratische Gesellschaft.
Ein Mensch läuft Amok, sprengt sieben Menschen in den Tod und erschießt Dutzende weitere. Was fällt Hans-Peter Uhl, dem innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion dazu ein? Die Tat sei im Internet geplant worden, daher müsse man im Internet schärfer kontrollieren. Und die Vorratsdatenspeicherung sei sowieso nötig.
Internet Bestandteil unseres Lebens
Wer ein bisschen Ahnung vom Internet hat, fasst sich hier gleich doppelt an den Kopf. Natürlich benutzen heute auch Geistesgestörte wie Anders Breivik das Internet. So wie sie den Bus, Bibliotheken, Telefone und den Supermarkt benutzen. Das Internet ist heute Bestandteil unser aller – egal ob Terrorist, Kindergärtnerin oder Journalist – Leben. Nur in einer Gruppe scheint das nach wie vor nicht in den Köpfen angekommen: bei den Innenpolitikern von CDU/CSU und manchen bei der SPD. Sie scheinen irgendwie anders zu leben, anders zu kommunizieren. Sie müssen sich nicht mit ihm auseinandersetzen.
Würde jemand im normalen Leben das fordern, was zum Beispiel die Vorratsdatenspeicherung bedeutet, dann würde ihn jeder für vollkommen verrückt erklären: es würde protokolliert werden, mit wem wir uns in den letzten sechs Monaten unterhalten haben, wo wir uns aufgehalten haben. Es würde protokolliert, in welches Geschäft wir gegangen sind, welches Buch und welche Zeitung wir gelesen haben.
Einfach mal die Klappe halten …
Nimmt man die Sperrphantasien hinzu, würde das Beispiel heißen: unerwünschte und gefährliche Orte werden aus Stadtplänen gelöscht, damit man sie nicht mehr finden kann. Und wenn der Stammtisch gerne die Inhalte auf den Leitungen überwachen möchte, die sogenannte Deep Packet-Inspection, dann wäre das so, als ob man jederzeit in Ihre Aktentasche, Ihr Portemonnaie, Ihre Einkäufe und ihr Wohnzimmer gucken würde. Und wehe, Sie kaufen Blumendünger.
Die kurze Antwort auf solche Begehrlichkeiten wäre also: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Klappe halten. Was man im realen Leben niemals ernsthaft fordern würde, sollte man auch im Netz nicht. Und zudem gilt: das Internet ist letzten Endes nicht ohne Kollateralschaden zu „kontrollieren“. „Das Netz behandelt Zensur als Fehler und arbeitet an diesem Fehler vorbei“, heißt sinngemäß eine alte Netz-Weisheit von John Gilmore. Ganz so einfach ist es dann leider doch nicht.
Internet wie in China oder Iran?
Tatsächlich könnte man das Internet stärker kontrollieren, wenn auch nicht perfekt. Man muss dafür nur das Internet, so wie wir es heute kennen, komplett wegschmeißen. Und stattdessen etwas aufbauen wie das, was im Iran als Internet gilt, in China oder anderen Diktaturen. Dort, wo Zensoren Seiten verschwinden lassen können. Das widerspricht diametral dem Grundgedanken des Netzes: Es ist dafür gemacht, ohne Ansehen von Personen und Organisationen Informationen von A nach B zu befördern. Es ist ein wunderbar „dummes“ Netz, es interessiert sich nicht dafür, ob wir Webseiten, Filme, E-Mails oder Powerpoint-Präsentationen von links nach rechts schubsen und an wen wir das liefern oder von wem wir uns dies holen. Weshalb auch in Tunesien, einem Land mit heftigster Internetzensur, am Ende doch die Nutzer das Netz für ihre Zwecke nutzen konnten.
Nun sind die Forderungen der Stammtischpolitiker jedoch auf dem Tisch. Bei uns Internetnutzern herrscht Erstaunen vor: Wie kann man im Jahr 2011 noch so einen Quatsch zum Netz von sich geben? Das Schlimmste: Man muss Politikern dieser Art zutrauen, dass sie derartige Ideen tatsächlich Realität werden lassen. Denn das ist ja auch viel einfacher, um Aktivität Marke „Man muss doch etwas tun!“ zu simulieren, als vielleicht einen Schritt weiter zu gehen und öffentlich einzugestehen, dass wir, egal wie sehr wir unsere Freiheit zu Tode sichern, am Ende doch nur eines haben werden: Eine Gesellschaft, in der ein Irrer immer noch Menschen töten kann.
Polizisten technisch zeitgemäß ausstatten
Natürlich wäre es nicht schlecht, wenn die Polizei genug Personal hat, um auch im Internet mal zu schauen, welche Geistesgestörten sich an welchem Winkel des Netzes gerade austoben. Aber es geht dabei immer um die Menschen, deren Aktivitäten. Nicht um deren Gedankenverbrechen, auch wenn sie diese in GoogleDocs verüben mögen.
Statt jede Menge Geld mit Totalüberwachungsphantasmen zu verbrennen, würden sich die meisten Polizisten über zeitgemäße Hard- und Softwareausstattung ihrer Dienstcomputer freuen. Das wäre am Ende vielleicht sogar ein tatsächlicher Sicherheitsgewinn und keine hilflose Stammtisch-Symbolpolitik.
Zur Information:
Beim öffnen der Seite fragt mich Chrome um Erlaubnis fürs Java-Plugin. Nach dem Gewähren der Erlaubnis hatte ich den sogenannten GEMA-Virus auf dem Rechner, ein Fenster welches zum bezahlen einer Strafe an die GEMA auffordert, sich nicht schliessen lässt und den Rechner blockiert. Die letzten 2 Stunden habe ich damit zugebracht das blöde Ding wieder loszuwerden.
Trotzdem guter Artikel :)