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Die Koalitionsverhandlungen bieten die Chance, Weichen für eine Netzpolitik zu stellen, welche die Grundrechte der Nutzerinnen und Nutzer sichert, freien Zugang zu Informationen und Diensten aller Art gewährleistet und Innovationen befördert.
Der Digitale Gesellschaft e.V. fordert die beteiligten Parteien daher auf, verbindliche Zielvorgaben zu den zentralen netzpolitischen Fragen im Koalitionsvertrag zu verankern.
Die Themen im Einzelnen:
- Europäische Datenschutzgrundverordnung
- Nachrichtendienstliche Überwachung elektronischer Kommunikation
- Export von Überwachungstechnologien
- Vorratsdatenspeicherung
- Funkzellenabfrage
- Störerhaftung
- Recht auf Remix
- Offene Daten
- Offenes Wissen
- Netzneutralität
1. Europäische Datenschutzgrundverordnung
a. Problemstellung
Der Datenschutz ist in den verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU derzeit sehr unterschiedlich ausgestaltet. Der Grund für diesen regulatorischen Flickenteppich liegt in den sehr weiten Vorgaben der aktuell geltenden europäischen Datenschutzlinie, an der die 27 Mitgliedsstaaten ihre nationale Gesetzgebung ausrichten. Umsetzung und Interpretation dieser Richtlinie unterscheiden sich in den verschiedenen Mitgliedsstaaten erheblich. Besonders problematisch erscheint diese Rechtslage, weil Unternehmen europaweit Dienste anbieten, dabei jedoch nur der Aufsicht durch die Behörden ihres europäischen Hauptstandortes unterliegen. Nicht umsonst sitzt etwa Facebook in Irland, das für seine laxe Interpretation der geltenden EU-Richtlinie bekannt ist.
Bereits aus diesem Grund benötigt die mittlerweile mehr als 18 Jahre alte Richtlinie eine Anpassung an das Internetzeitalter. Der von der Europäischen Kommission im Januar 2012 vorgelegte Vorschlag für eine einheitliche, in den Mitgliedsstaaten unmittelbar geltende europäische Datenschutzgrundverordnung vermag dies grundsätzlich zu leisten, bedarf aber an einigen Stellen der Konkretisierung. Bei den Verhandlungen im Europäischen Parlament und im EU-Ministerrat konnten verschiedene Interessensgruppen massiven Einfluss auf die Gestaltung der Verordnung nehmen. Dadurch droht der Kommissionsvorschlag nun in sein Gegenteil verkehrt zu werden und sogar hinter die Prinzipien der derzeit geltenden Richtlinie zurückzufallen.
Die Kontrolle der Nutzerinnen und Nutzer über ihre persönlichen Daten ist eine essentielle Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben in der Informationsgesellschaft. Dies ist nur denkbar, wenn sichergestellt ist, dass personenbezogene Daten aus sozialen Netzwerken beispielsweise nicht bei Versicherungen oder Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern landen. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist ein verbesserter, an den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzern orientierter Datenschutz wünschenswert. In Zeiten sensibler werdender Verbraucherinnen und Verbraucher stellt ein effektiver Schutz personenbezogener Daten einen handfesten Wettbewerbsvorteil für die datenverarbeitenden Unternehmen dar. Zudem erschwert ein verbesserter Datenschutz auch unlautere Praktiken wie beispielsweise Wirtschaftsspionage und trägt damit zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Europa bei.
b. Lösungsvorschlag
Deutschland muss sich als Mutterland des Datenschutzes für die Wahrung grundlegender Datenschutzprinzipien auf EU-Ebene einsetzen. Die künftige Bundesregierung sollte daher darauf drängen, Bestimmungen über die explizite Einwilligung in die Datenverarbeitung (Opt-In Lösung), über die strikte Zweckbindung der zu verarbeitenden Daten, über Transparenz bei der Datenverarbeitung sowie über ein Recht auf Auskunft und Löschung personenbezogener Daten in die geplante Verordnung aufzunehmen. Ferner muss der konturenlose Begriff des „legitimen Interesses“ als Rechtsgrundlage für eine Datenverarbeitung unbedingt klarer gefasst und weiter konkretisiert werden. Sollte sich dies als unmöglich erweisen, befürwortet der Digitale Gesellschaft e.V. eine gänzliche Abschaffung der Klausel. Die Idee eines Rechts auf Datenportabilität sollte erhalten bleiben. Ebenso muss das Element des „Datenschutzes durch Technik“ gestärkt werden.
Damit diese Vorschläge nicht lediglich zahnlose Papiertiger bleiben, muss parallel zu ihrer Umsetzung auch ein effektives Kontrollsystem geschaffen werden. Ein mit ausreichenden Ressourcen und starken Befugnissen ausgestatteter Europäischer Datenschutzausschuss muss die Einhaltung der Verordnungsvorgaben überprüfen und Verstöße sanktionieren können, um Missständen wie dem oben beschriebenen „Forum Shopping“ ein Ende zu bereiten. Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Geldbußen für Datenschutzvergehen von bis zu 2% des weltweiten Jahresumsatzes eines Unternehmens stellen aus Sicht des Digitale Gesellschaft e.V. eine Untergrenze dar, deren Herabsetzung die künftige Bundesregierung in den weiteren Verhandlungen entschieden entgegen treten muss. Auch die nationalen Datenschutzaufsichtsbehörden müssen gestärkt werden, damit etwa unangekündigte Kontrollen und Code-Reviews bei Unternehmen Alltag werden.
c. Vorschlag für die Koalitionsvereinbarung
„Die Koalition fordert einen transparenten, wirkungsvollen Datenschutz auf europäischer Ebene. Dieser Datenschutz muss Mindeststandards genügen, sowohl hinsichtlich der expliziten Einwilligung in die Datenverarbeitung, als auch einem Recht auf Auskunft und Löschung personenbezogener Daten sowie Datenportabilität. Ein Europäischer Datenschutzausschuss muss die Einhaltung des Datenschutzes überwachen und verteidigen. Deshalb muss dieser mit effektiven Kontroll- und Sanktionierungsmechanismen ausgestattet werden.“
2. Nachrichtendienstliche Überwachung elektronischer Kommunikation
a. Problemstellung
Seit Beginn der Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden kommen wöchentlich neue Details zu den Überwachungspraktiken der Nachrichtendienste NSA und GCHQ ans Licht. Zudem wurde mittlerweile bekannt, dass deutsche Dienste wie der BND und das BfV nicht nur dieselben elektronischen Werkzeuge wie die genannten ausländischen Dienste nutzen, sondern mit diesen auch in großem Umfang erhobene Daten austauschen. Besonders schwer wiegt in diesem Zusammenhang der Verdacht, dass über den Umweg des Datenaustauschs mit ausländischen Diensten, die dem Grundrechtsschutz dienenden Beschränkungen der Befugnisse bundesdeutscher Dienste ausgehebelt werden.
Viele Menschen sind besorgt über das Ausmaß der anlasslosen nachrichtendienstlichen Überwachung ihrer gesamten elektronischen Kommunikation. Sie verlieren zunehmend das Vertrauen in die Bereitschaft und die Fähigkeit staatlicher Institutionen, ihre Grundrechte effektiv zu schützen. Dieser Eindruck wird nicht nur durch den fehlenden Aufklärungswillen der bisherigen Bundesregierung, sondern auch durch eine wenig effiziente Ausgestaltung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste bestärkt. Diese Entwicklung stellt nicht nur eine Gefahr für die Grundrechte des Einzelnen, sondern auch für das demokratische Gefüge der Bundesrepublik Deutschland insgesamt dar.
b. Lösungsvorschlag
Abhilfe kann nur ein Bündel unterschiedlicher Maßnahmen schaffen. Die zukünftige Bundesregierung sollte sich zunächst bedingungslos gegen jegliche Form anlassloser staatlicher Kommunikationsüberwachung aussprechen und ihr Handeln nach diesem Bekenntnis ausrichten. Jegliche Telekommunikationsüberwachung, auch nachrichtendienstliche, darf nur in Ausnahmefällen, vorbehaltlich eines richterlichen Beschlusses und nach strengen Kriterien stattfinden. Entscheidungen über Kommunikationsüberwachung dürfen nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes getroffen werden. Die Vorteile und das Gewicht des Ziels der Maßnahme müssen gegen die Belastungen, die den Rechten des Einzelnen und anderen konkurrierenden Interessen zugefügt würden, sorgfältig abgewogen werden. Dabei sind insbesonders die Sensibilität der erhobenen Informationen und die Schwere des Eingriffs in das Recht auf Privatsphäre einzubeziehen. Ferner sollte jede autorisierte Kommunikationsüberwachung geeignet sein, nur das spezifische legitime Ziel zu erfüllen, und nicht darüber hinaus gehen. Weiterhin sollten Personen über die Entscheidung der Autorisierung einer Kommunikationsüberwachung informiert werden.
Die künftige Bundesregierung sollte außerdem auf den Abschluss völkerrechtlicher Verträge hinwirken, in denen die Achtung der Rechte auf Privatsphäre, informationelle Selbstbestimmung, Telekommunikationsfreiheit sowie Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme auch durch Drittstaaten und sämtliche ihrer Behörden, einschließlich der Nachrichtendienste, festgeschrieben wird. Diese Verträge sollten außerdem regeln, welche Sanktionen rechtlicher, politischer und wirtschaftlicher Art im Falle eines Verstoßes verhängt werden können.
Bestehende Datenabkommen der EU mit den USA, wie das Bankdaten-Abkommen SWIFT, das Fluggast-Abkommen PNR und das Datenschutzabkommen Safe-Harbour, müssen gekündigt und unter diesen Vorgaben neu verhandelt werden.
Datenaustausch mit Drittstaaten darf nur auf der Grundlage klar gefasster gesetzlicher Regelungen erfolgen. Rechtshilfeabkommen und sonstige Übereinkünfte inländischer und ausländischer Dienste über den Austausch von Daten sollten zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Parlaments bedürfen.
Die zukünftige Bundesregierung sollte zudem durch die Offenlegung jeglicher bestehender Vereinbarungen mit Drittstaaten über informationelle und operative Kooperationen nationaler und ausländischer Nachrichtendienste Transparenz herstellen.
Den von nachrichtendienstlicher Überwachung betroffenen Personen sollten ferner Benachrichtungsansprüche und effektive Rechtsmittel zur Verfügung stehen, um gegen Eingriffe in ihre Grundrechte durch inländische und ausländische Dienste vorzugehen.
c. Vorschlag für die Koalitionsvereinbarung
„Die Koalition bekennt sich zu dem Ziel, jegliche Form der anlasslosen Telekommunikationsüberwachung durch bundesdeutsche Nachrichtendienste effektiv zu unterbinden. Zu diesem Zweck wird sie gesetzliche Benachrichtungsansprüche und effektive Rechtsmittel für die von nachrichtendienstlicher Überwachung betroffenen Personen schaffen. Sie wird ferner die Zusammenarbeit bundesdeutscher und ausländischer Nachrichtendienste gesetzlich regeln und sämtliche bestehende Vereinbarungen zu derartigen Kooperationen offenlegen. Ebenso wird die künftige Bundesregierung bestehende Abkommen wie SWIFT oder PNR im Lichte ihres oben beschriebenen Bekenntnisses neu bewerten, gegebenenfalls kündigen und neu verhandeln. Darüber hinaus wird sie sich international für den Abschluss völkerrechtlicher Verträge, in denen die Achtung der Grundrechte der Menschen in Deutschland auch durch Drittstaaten und sämtliche ihrer Behörden garantiert wird, einsetzen.
3. Export von Überwachungstechnologien
a. Problemstellung
Überwachungstechnologien werden global in zunehmendem Maße eingesetzt. In Bahrain werden Menschen gezielt auf Grundlage von Überwachung ausgespäht, aufgegriffen und gefoltert, in Tunesien wurden E-Mails mitgeschnitten und verändert, in China, Syrien und Iran Aktivistinnen und Aktivisten mit Hilfe von Überwachungssoftware verfolgt. Diese Praktiken werden aktiv von europäischen und US-amerikanischen Unternehmen unterstützt. Vielfach sind die genannten Länder gar nicht in der Lage, Repressionen in diesem Ausmaß ohne Unterstützung aus Europa oder Nordamerika auszuüben. Einige Unternehmen, die solche Technologien entwickeln (wie Gamma oder Trovicor), sitzen auch in Deutschland.
Deutschland ist zusammen mit Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten einer der führenden Anbieter von Überwachungstechnologien. Während der Handel mit diesen Technologien jedoch in Großbritannien, Frankreich, den USA und selbst der Schweiz von staatlichen Stellen reguliert wird, ist dies in Deutschland nicht der Fall. In Deutschland benötigt ein Unternehmen, das Überwachungstechnologien exportiert, nicht einmal eine Genehmigung des Bundesamtes für Ausfuhrkontrolle. Unternehmen können Technologien, Systeme und Dienstleistungen ungefragt und ohne Kontrolle in (fast) alle Staaten der Welt exportieren. Ausnahmen bilden nur wenige Länder, die mit Sanktionen der EU belegt sind, wie Syrien, Iran oder Nordkorea. Dies hat direkte negative Auswirkungen auf den Schutz von Menschenrechten in den betroffenen Ländern. Es ist auch ein beträchliches Risiko für das außen- und menschenrechtspolitische Ansehen Deutschlands in der Welt.
b. Lösungsvorschlag
Die bisherige Bundesregierung betrachtet Sicherheitstechnologien als Wachstumsmarkt. Trotz offenkundiger Menschenrechtsbedenken forciert sie vehement den Handel mit solchen Technologien, unter anderem über HERMES-Bürgschaften. Die aktive Unterstützung Deutschlands beim Handel mit derartigen Technologien, Systemen und Dienstleistungen muss reformiert und in Einklang mit deutscher Menschenrechtspolitik gebracht werden. Wie in anderen europäischen Staaten auch sollten Überwachungstechnologien hierzulande gesetzlich als genehmigungspflichtige Dual-Use Technologien klassifiziert werden. Diese Klassifizierung gäbe der Regierung zumindest grundsätzlich die Möglichkeit, vom Export solcher Technologien zu erfahren und ihn gegebenenfalls zu unterbinden. Da die Handlungen der Regierung wiederum der Kontrolle durch Parlament und Judikatur unterliegen, erhalten dadurch nicht nur die Regierung, sondern auch die parlamentarische Opposition und Gerichte die Möglichkeit, Geschäfte mit Überwachungstechnologien zu beaufsichtigen und gegebenenfalls zu verhindern.
Eine Lösung des Problems kann jedoch nicht allein auf nationaler Ebene liegen. Vielmehr muss auch der Anwendungsbereich der Europäischen Dual-Use Verordnung auf diese Technologien ausgeweitet werden. Die Bundesregierung muss sich ferner dafür einsetzen, Zensur und Überwachungstechnologien auch im Rahmen des Wassenaar-Abkommens zu erfassen. Die anzustrebende Regulierung darf gleichwohl nicht dazu führen, dass der Export von Verschlüsselungstechnologien, Systemen zur Absicherung von Infrastruktur oder von alltäglichen Online-Dienstleistungen wie Webmail oder Kartendiensten behindert wird. Um die Einhaltung der gesetzlichen Exportbeschränkungen sicher zu stellen, sollten zu den vorgeschlagenen Änderungen regelmäßige Human Rights Impact Assessments (HRIAs) durchgeführt werden.
c. Vorschlag für die Koalitionsvereinbarung
„Zum Schutz der Menschenrechte wird sich die Koalition dafür einsetzen, Überwachungstechnologien auf nationaler und internationaler Ebene als genehmigungspflichtige Dual-Use Waren zu klassifizieren. Dazu wird sie solche Technologien dem Regime des Außenwirtschaftsgesetzes unterstellen und auf eine Ausweitung der europäischen Dual Use Verordnung und der Wassenaar Vereinbarung auf diese Technologien hinwirken.“
a. Problemstellung
Die Vorratsdatenspeicherung, also die anlasslose Speicherung sämtlicher Telekommunikationsverbindungsdaten, ist immer noch Gegenstand politischer Debatten. Die Europäische Richtlinie 2006/24/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten zur gesetzlichen Einführung der Vorratsdatenspeicherung. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die deutsche Umsetzung der Richtlinie im Jahr 2010 für verfassungswidrig erklärt hat, besteht die Richtlinie selbst jedoch fort und verlangt weiter die Regelung der Vorratsdatenspeicherung auf nationaler Ebene. Bislang wurde von deutscher Seite kein erneuter Umsetzungsversuch unternommen, da sich die Bundesregierung nicht auf einen einheitlichen Lösungsansatz einigen konnte. Nicht zuletzt wegen eines in dieser Sache gegen die Bundesrepublik vor dem EuGH anhängigen Vertragsverletzungsverfahren steht die Frage einer Einführung der Vorratsdatenspeicherung also weiterhin im Raum.
Die mit der anlasslosen Speicherung sämtlicher Verbindungsdaten verbundenen Risiken und Gefahren stehen völlig außer Verhältnis zu dem nachweisbaren Nutzen, etwa für die Kriminalitätsbekämpfung. Studien des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages und des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht konnten keine nennenswerte Steigerung der Aufklärungsquote oder der Effizienz der Strafverfolgung für den Zeitraum feststellen, in dem die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland durchgeführt wurde. Auch war die Europäische Kommission bis dato nicht in der Lage, die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der anlasslosen Massenüberwachung nachzuweisen. Andererseits wird mit der Vorratsdatenspeicherung eine Überwachungsinfrastruktur mit hohem Missbrauchspotential geschaffen. Nicht zuletzt die Enthüllungen von Edward Snowden haben gezeigt, dass Verbindungsdaten derart weitreichende Schlüsse über die Lebensgewohnheiten, Aufenthaltsorte, Tätigkeiten und die soziale Vernetzung einer Person erlauben, dass sogar ihre Absichten und ihr zukünftiges Verhalten antizipierbar werden. Allein das Bewusstsein um das Bestehen einer solchen Architektur wird bei vielen unbescholtenen Menschen dazu führen, bestimmte Gedanken im Zweifel nicht zu äußern und mit bestimmten Personen im Zweifel nicht zu kommunizieren, ihre grundgesetzlich garantierten Freiheiten im Zweifel also nicht zu gebrauchen. Die Vorratsdatenspeicherung ist deshalb mit einer freien und demokratischen Gesellschaft, die gerade vom aktiven und offen geführten Dialog lebt, grundsätzlich unvereinbar.
b. Lösungsvorschlag
Die zukünftige Bundesregierung sollte sich für eine Aufhebung der Europäischen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung einsetzen. Dazu sind politische Vorstöße in den EU-Gremien ebenso geboten wie ein juristisches Vorgehen gegen die bestehende Richtlinie. Der Digitale Gesellschaft e.V. befürwortet die Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen die Richtlinie. Zwar blieb eine solche, von Irland betriebene Klage in der Vergangenheit erfolglos, jedoch griff diese allein formelle Gesichtspunkte an. Keineswegs geklärt ist hingegen bislang, ob und inwieweit die Richtlinie mit der Grundrechte-Charta der EU konform geht. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages bewertete die Richtlinie in dieser Hinsicht äußerst kritisch und bezweifelte, dass eine verfassungskonforme Umsetzung in nationales Recht überhaupt möglich sei. Zu einer Aufhebung der Richtlinie sieht der Digitale Gesellschaft e.V. daher bereits in rechtlicher Hinsicht keine Alternative.
c. Vorschlag für die Koalitionsvereinbarung
„Die Koalition setzt sich politisch und juristisch für eine Aufhebung der Europäischen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ein. Weiterhin verpflichtet sich die Koalition, auf nationaler Ebene keine Vorratsdatenspeicherung einzuführen.“
a. Problemstellung
Unter der nicht-individualisierten Funkzellenabfrage versteht man die massenhafte Erhebung von Mobilfunk-Verbindungsdaten. Diese „Meta-Daten“ verraten, wann wer wie lange mit wem kommuniziert hat und wo sich die Kommunikationspartner währenddessen aufhielten. Diese sensiblen Daten werden durch bundesdeutsche Behörden täglich in Dutzenden von Fällen zehntausendfach erhoben, gespeichert und gerastert. Politisch wurde diese Art der Massenüberwachung mit der Effektivierung der Verfolgung schwerster Straftaten gegen Leib, Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung begründet. Tatsächlich wird diese Variante der „Handy-Rasterfahndung“ in der überwiegenden Anzahl von Fällen jedoch zur Aufklärung von Brandstiftung, Betrug und Raub eingesetzt. Im Rahmen einer Untersuchung der Behördenpraxis zur Funkzellenabfrage kam der Berliner Datenschutzbeauftragte zu dem Ergebnis, diese sei „offensichtlich zum alltäglichen Ermittlungsinstrument geworden, das routinemäßig und ohne hinreichende Beachtung der gesetzlichen Vorgaben eingesetzt wird.“ Statistisch ist jeder Deutsche mehrmals pro Jahr davon betroffen, während die Erfolge, insbesonders im Hinblick auf die Strafverfolgung, hingegen nur sehr marginal ausfallen.
b. Lösungsvorschlag
Die künftige Bundesregierung muss die Funkzellenabfrage als Ermittlungsinstrument abschaffen. Dazu ist eine Reform des § 100g StPO notwendig. Darüber hinaus muss jede nicht-individualisierte Erhebung von Verbindungsdaten sowie Rasterung und Cross-Referenzierung verschiedener Datenbanken untersagt werden. Die Strafverfolgung und Ermittlungsarbeit muss sich an einzelnen Verdächtigen orientieren und rechtsstaatliche Standards einhalten, statt Verdächtige aus unverhältnismäßigen Massen-Datenbanken zu generieren.
c. Vorschlag für die Koalitionsvereinbarung
„Die Koalition strebt eine Reformierung des § 100g StPO mit dem Ziel an, die Funkzellenabfrage als Ermittlungsinstrument abschaffen. Ferner sollen Regelungen getroffen werden, die jede nicht-individualisierte Erhebung von Verbindungsdaten sowie Rasterung und Cross-Referenzierung verschiedener Datenbanken untersagt.“
a. Problemstellung
Die Betreiberinnen und Betreiber gewerblicher und nichtgewerblicher Funknetze (WLAN) unterliegen seit dem „Sommer unseres Lebens“ Urteil des Bundesgerichtshofs der sogenannten Störerhaftung. Sie haften daher verschuldensunabhängig für Rechtsverletzungen, die Dritte über ein von ihnen betriebenes offenes Funknetz verüben. Um dieser Haftung zu entgehen, verschlüsseln Privatpersonen für gewöhnlich den Zugang zu ihrem WLAN und teilen ihn nicht mit Dritten (z.B. ihren Nachbarinnen und Nachbarn). Gewerbliche Betreiber, wie etwa Internetcafés, gewähren den Zugang nur gegen eine vorherige Erfassung der Identität der jeweiligen Nutzerinnen und Nutzer oder verzichten gänzlich darauf, ihren Kundinnen und Kunden offene Funknetze zur Verfügung zu stellen.
Diese Rechtslage verhindert einen flächendeckenden, allgemein verfügbaren und kostengünstigen Internetzugang. Die Vielzahl neuer Möglichkeiten zur demokratischen Teilhabe, zur Fortbildung und zum zivilgesellschaftlichen Engagement, welche die Informationsgesellschaft eröffnet, bleiben daher zahlreichen Menschen in Deutschland verschlossen. Insbesondere Personen mit geringem Einkommen und solche, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, können sich häufig keinen Internetzugang leisten. So lässt der Hartz IV-Regelsatz Positionen wie die Zugangskosten zum Netz gänzlich unberücksichtigt. Die bestehende Rechtslage ist daher weder zukunftsorientiert noch sozial ausgewogen.
b. Lösungsvorschlag
Eine Lösung des Problems liegt im Abbau der Haftungsrisiken für gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von drahtlosen Netzzugängen. Dies würde es ihnen ermöglichen, ihre Zugänge für Dritte zu öffnen, ohne sich der Gefahr von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen sowie der damit verbundenen Abmahnkosten auszusetzen. Zu diesem Zweck schlägt der Digitale Gesellschaft e.V. eine Änderung des Telemediengesetzes vor. Das sogenannte Providerprivileg des § 8 TMG, welches bisher nur Zugangsprovider von der Haftung für Rechtsverletzungen ihrer Kundinnen und Kunden freistellt, muss auf die Betreiberinnen und Betreiber von Drahtlosnetzen ausgeweitet werden. Konkret sollte § 8 TMG um zwei Absätze mit folgendem Wortlaut ergänzt werden:
Absatz 3: Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch gewerbliche und
nichtgewerbliche Betreiberinnen und Betreiber von Funknetzwerken, die sich an einen nicht im Voraus namentlich bestimmten Nutzerkreis richten (öffentliche Funknetzwerke).
Absatz 4: Der Ausschluss der Verantwortlichkeit (Absatz 1) umfasst auch Ansprüche auf Unterlassung.“
c. Vorschlag für die Koalitionsvereinbarung
„Die Koalition setzt sich für eine Abschaffung der Störerhaftung für gewerbliche und nichtgewerbliche Betreiber von Funknetzen ein. Diese Betreiber sollen im Telemediengesetz von der Verantwortlichkeit für Rechtsverletzungen entbunden werden, die Dritte über die von ihnen betriebenen Netze verüben. Dieser Haftungsausschluss soll nicht nur für Ansprüche auf Schadensersatz, sondern auch für solche auf Unterlassung gelten.“
a. Problemstellung
Eine in der vernetzten Gesellschaft mittlerweile weit verbreitete Kulturtechnik ist der Remix. Bekannte künstlerische Werke werden dabei rekontextualisiert, neu interpretiert und weiterentwickelt. Anders als bei der klassischen Neuschöpfung bleibt bei einem Remix das ursprüngliche Werk in dem neu geschaffenen klar erkennbar. In den Worten des Creative-Commons-Erfinders und Rechtswissenschaftlers Lawrence Lessig heißt das: Remixkultur zeichnet sich durch die Ablösung der konsumorientierten Read-only-Kultur hin zur aktiv-kreativen Read/Write-Kultur aus. Je mehr die kreative Kopie Teil des kommunikativen Alltags breiter Bevölkerungsschichten wird, umso mehr wird ein gesetzlich verbürgtes Recht auf Remix eine grundlegende Voraussetzung für die Wahrnehmung der Kunst- und Meinungsfreiheit.
Nach der derzeit bestehenden Rechtslage in Deutschland und in der EU sind Remixe unzulässig. Der abschließende Ausnahmekatalog der europäischen Urheberrechtsrichtlinie (2001/29/EG) sieht ein Recht auf Remix nicht vor. Das in Deutschland geltende Urheberrecht kennt zwar grundsätzlich das Zitatrecht und die sogenannte „freie Benutzung“ eines Werkes. Beide genannten Tatbestände erlauben jedoch – nach derzeit geltender Rechtsprechung – nur die Verwendung von vorhandenen Teilen eines Werkes, wenn dadurch ein gänzlich neues, selbständiges Werk entsteht, hinter dem das verwendete Werk verschwindet und insofern keine Leistungsschutzrechte verletzt werden. Als Grundlage für ein „Recht auf Remix“ sind die Ausnahmen in ihrer gegenwärtigen Form unzureichend.
b. Lösungsansatz
Der Digitale Gesellschaft e.V. schlägt eine Lösung vor, welche die berechtigten Interessen der Urheberinnen und Urheber an einer angemessenen Vergütung berücksichtigt und zugleich kreative, im digitalen Zeitalter übliche Kommunikationsformen ermöglicht. Dazu sind Rechtsänderungen auf europäischer und nationaler Ebene erforderlich. Die zukünftige Bundesregierung sollte sich daher für die Ergänzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie um einen Ausnahmetatbestand für Remixe einsetzen. Des Weiteren sollte sie eine Änderung des deutschen Urheberrechtsgesetzes anstreben, so dass das Zitatrecht und das Recht zur freien Benutzung explizit auch Remixe umfassen. Die zu schaffenden Schrankenregelungen sollten sich dabei nicht nur auf das Urheberrecht, sondern auch auf Leistungsschutzrechte erstrecken. Um die Interessen der Urheberinnen und Urheber der einem Remix zugrundeliegenden Werke zu schützen, soll diese Ausdehnung von Schrankenregelungen im Rahmen einer Neuregelung pauschalierter Vergütungsansprüche Berücksichtigung finden. Darüber hinaus soll auch die gewerbliche Nutzung von Remixwerken nach Vorbild der Lösung bei Coverversionen gegen die Zahlung einer angemessenen Vergütung an Verwertungsgesellschaften möglich sein.
c. Vorschlag für die Koalitionsvereinbarung
„Die Koalition setzt sich auf europäischer Ebene für eine Öffnung und Flexibilisierung des Katalogs urheberrechtlicher Schrankenregelungen sowie die Einführung einer zusätzlichen, allgemeinen Bagatellschranke ein. In Deutschland soll das Zitatrecht mehr Werks- und Nutzungsarten erfassen und der Anwendungsbereich von § 24 UrhG („freie Benutzung“) ausgedehnt werden.“
a. Problemstellung
Im internationalen Vergleich ist Deutschland Nachzügler in den Bereichen Open Government, Informationsfreiheit, Transparenz und offene Daten. Anfang des Jahres wurde mit govdata.de zwar ein nationales Datenportal im Pilotbetrieb eingerichtet, ein breites politisches Bekenntnis zu mehr Offenheit (gemäß der Open Definition) und Transparenz fehlt jedoch bislang. Nur vereinzelt stellen Behörden auf freiwilliger Basis Datensätze auf govdata.de zur Verfügung, nur wenige davon sind relevant für die Transparenz politischen Handelns und interessant für wirtschaftliche Innovationen. Zudem ist die eigens für Deutschland entworfene Lizenz für offene Daten wenig zufriedenstellend, da sie eine Insellösung darstellt und eine Nutzung der Daten auf internationaler Ebene unnötig erschwert. Auch international vernachlässigt Deutschland seine Verantwortung im Bereich offene Daten. So weigert sich die Bundesregierung bisher der „Open Government Partnership“, einer internationalen Initiative mit rund 60 Mitgliedsstaaten zur Förderung von Transparenz, Rechenschaftslegung und zivilgesellschaftlicher Beteiligung, beizutreten. Auch bei der kürzlich verabschiedeten G8 Open Data Charter ist Deutschland kein Vorreiter der Bewegung, und es bleibt offen wie Deutschland seine Verpflichtung hier in einem Dialog mit der Zivilgesellschaft erfüllen will. Informationsfreiheit, Open Government und Open Data können nur dann erfolgreich sein, wenn auch Investitionen in Marketing und Kommunikation für das Thema und Ressourcen im Rahmen der Ministerien auf- und ausgebaut werden, sowie eine frühe Einbeziehung der zivilgesellschaftlichen Akteure stattfindet.
b. Lösungsvorschlag:
Hamburg hat mit dem Transparenzgesetz vorgemacht, wie ein fortschrittliches Gesetz zum Informationszugang aussehen kann. Andere Bundesländer müssen nun nachziehen. Auch eine Novellierung des IFG auf Bundesebene ist zwingend notwendig, da deutsche Behörden in der Praxis viel zu häufig Auskünfte durch zahllose Ausnahmeregeln oder hohe Bearbeitungsgebüren vermeiden. Deutschland sollte sich offiziell zu mehr Offenheit und Transparenz bekennen, Meilensteine und Ziele für zukünftige Entwicklungen setzen und dazu der Open Government Partnership beitreten. Es braucht klare Bekenntnisse und Ziele, auf Basis derer Fortschritt gemessen werden kann. Der Standard bei öffentlichen Informationen und Wissen muss auf “Offen” gesetzt und Ausnahmen öffentlich begründet werden.
c. Vorschlag für die Koalitionsvereinbarung
Die Koalition bekennt sich zu dem Ziel, die öffentliche Verwaltung offener und transparenter zu gestalten. Sie wird die gesetzlichen und institutionellen Voraussetzungen schaffen, um den Zugang der Allgemeinheit zu Informationen und Daten öffentlicher Stellen zu verbessern. Die Koalition strebt den Beitritt Deutschlands „Open Government Partnership“ Initiative an.
a. Problemstellung
Ein Großteil der Wissenschaft und Wissensproduktion wird in Deutschland durch die öffentliche Hand finanziert. Dennoch sind weder wissenschaftliche Veröffentlichungen noch Lehr- und Lernunterlagen einfach online zugänglich. Stattdessen kämpfen Universitätsbibliotheken mit steigenden Zeitschriftenpreisen und Lehrende haben Probleme, Lernunterlagen aus unterschiedlichen Quellen miteinander zu kombinieren und diese wieder öffentlich zugänglich zu machen. Auch öffentlich finanzierte Forschungsdaten (Rohdaten) sind in Deutschland nur selten für die Allgemeinheit frei verfügbar. Auf diese Weise bleiben Potentiale digitaler Technologien für einen breiteren und freieren Zugang zum gemeinschaftlich finanzierten Wissen ungenutzt. Während in anderen Ländern bereits seit Jahren dreifache Offenheit in Form von Open Access, Open Science und Open Education vorangetrieben wird, hinkt Deutschland in diesen Bereichen hinterher.
b. Lösungsvorschlag
Angelehnt an die Empfehlungen der Budapest Open Access Initiative aus dem Jahr 2012 und die Handlungsempfehlungen der Projektgruppe Bildung und Forschung der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft, muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass jede höhere Bildungseinrichtung verpflichtet ist, wissenschaftliche Publikationen und wissenschaftliche Daten, die im Rahmen von steuerfinanzierter Forschung oder in steuerfinanzierten Einrichtungen entstehen, unmittelbar nach Erstellung offen und kostenlos über das Internet zur Verfügung zu stehen. Dafür braucht es ein klares Bekenntnis und konkrete Umsetzungspläne für Open Access (Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen) und Open Science (Zugriff auf Rohdaten wissenschaftlicher Forschung).
Im Bereich von Lehr- und Lernunterlagen gilt es, den Empfehlungen der Pariser Erklärung des UNESCO Weltkongresses zu Open Educational Ressources (OER) aus dem Jahr 2012 zu folgen. Diese fordern für öffentlich finanzierte Lernunterlagen unter anderem die Verwendung offener Lizenzen und Formate sowie den Aufbau von Institutionen für eine nachhaltige Entwicklung qualitativ hochwertiger und gleichzeitig offener Lernmaterialien. In einem ersten Schritt sollten OER-Pilotprojekte an Universitäten, im Schulbuchsektor sowie im Bereich der Erwachsenenbildung finanziert und evaluiert sowie ein Kompetenzzentrum für offenes Wissen als zentrale Anlaufstelle geschaffen werden.
c. Vorschlag für die Koalitionsvereinbarung
„Die Koalition wird die gesetzlichen und finanziellen Voraussetzungen für einen digitalen offenen Zugang zu Forschungsergebnissen (Open Access), Forschungsdaten (Open Science) sowie zu Lehr- und Lernunterlagen (Offene Bildungsmaterialien) schaffen.“
a. Problemstellung
Internetanbieter und ihre Interessenverbände propagieren zur Zeit eine Aufteilung des Internets in logisch getrennte Bereiche mit definierten Bandbreiten. Neben einem kostengünstigen, aber eingeschränkten Basiszugang soll es künftig gesondert buchbare Premiumangebote geben, über die bestimmte Inhalte und Dienste besonders schnell und in hoher Qualität abgerufen werden können. Diese Pläne sind unvereinbar mit Strukturprinzipien des Internets, unterminieren die Meinungs- und Informationsfreiheit und stellen ein Innovationshindernis dar.
Die bevorzugte Behandlung einzelner Dienste, sogenannte „Managed Services“ und Transportdienstklassen, widerspricht dem Kerngedanken eines freien und offenen Internet. Das bisher im Netz universell gültige „Best Effort“ Prinzip besagt, dass jedes Datenpaket ungeachtet seines Inhalts schnellstmöglich zu seinem Bestimmungsort weitergeleitet wird. Die geplanten volumen- oder bandbreitenbeschränkten Basiszugänge hingegen verknappen künstlich den Zugang zum echten Best-Effort-Internet, um die Nutzerinnen und Nutzer so in die kostenpflichtigen Surf- und Datenpakete zu drängen.
„Managed Services“ bergen zudem für Inhalte- und Diensteanbieter ein erhöhtes Diskriminierungsrisiko. Für die Übertragung innerhalb dieser Premiumangebote sollen nicht nur die Nutzer, sondern auch die Inhalte- und Diensteanbieter Entgelte leisten. Für kleine oder aufstrebende Anbieter entstehen so neue Markteintrittsbarrieren, da diese sich eine Übertragung ihrer Dienste und Inhalte im Rahmen eines Premiumpakets häufig nicht leisten können. Ihre Datenpakete könnten dann nur über den volumenbeschränkten Basiszugang transportiert werden und wären gegenüber den anderen Datenpaketen ihrer Konkurrenten benachteiligt.
Die Regulierungsbestrebungen zur Netzneutralität auf nationaler wie auf europäischer Ebene sind zwar grundsätzlich begrüßenswert, jedoch verfehlen beide Ansätze das Ziel, die Netzneutralität zu gewährleisten. Der vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Entwurf einer Netzneutralitätsverordnung legalisiert ebenso wie der Kommissionsentwurf einer EU-Telekommunikationsverordnung die oben beschriebenen „Managed Services“. Beide Entwürfe sind zudem durchsetzt mit unscharfen Ausnahmen, die zu Rechtsunsicherheiten für Nutzerinnen und Nutzer führen.
b. Lösungsvorschlag
Die künftige Bundesregierung muss das Gefahrenpotential geplanter Premiumangebote für den Innovations- und Wirtschaftsstandort Deutschland und die Informations- und Meinungsfreiheit anerkennen. Die gesetzliche Sicherung der Netzneutralität muss so ausgestaltet werden, dass diese mit Premiumangeboten („Managed Services“ und Transportdienstklassen) unvereinbar ist. Daher sollte § 41a des Telekommunikationsgesetzes so abgeändert werden, dass eine Gleichbehandlung der Datenpakete nach dem End-to-End-Prinzip gesetzlich festgeschrieben wird und ein klares Bekenntnis zum Best-Effort-Grundsatz ohne Einschränkungen erfolgt.
c. Vorschlag für die Koalitionsvereinbarung
„Die Koalition stellt fest, dass Premiumangebote wie „Managed Services“ und Transportdienstklassen dem Prinzip des freien und offenen Internet widersprechen und daher zu verbieten sind. Die Koalition wird durch gesetzliche Regelungen sicher stellen, dass ein diskriminierungsfreies und offenes Internets ohne logisch getrennte Premiumangebote gewährleistet ist. Weiterhin setzt sich die neue Koalition auch auf europäischer Ebene für eine gesetzliche Verankerung eines freien und offenen Internet ohne Premiumangebote ein.“