Das niederländische Gesetz zum Schutz der Netzneutralität hat die zweite und entscheidende Hürde genommen. Der Senat stimmte gestern für das Gesetz, das u.a. Deep-Packet-Inspection streng limitiert, den Internetzugang besser schützt und Traffic-Management reguliert. Damit werden Nutzerrechte gestärkt und die Grundlage für die Sicherung eines Echten Netzes geschaffen.
Dazu erklärt Markus Beckedahl, Vorsitzender des Digitale Gesellschaft e.V.:
„Die Niederlande haben eine Vorreiterfunktion für die gesamte EU. Als erster Staat haben sie die Notwendigkeit von strengen Regeln zum Schutze der Netzneutralität erkannt und gehandelt. Das Gesetz stärkt Nutzerrechte und schafft einen vernünftigen Innovationsrahmen, der für mehr Wettbewerb sorgen wird. Die Bundesregierung sollte sich ein Vorbild an den Niederlanden nehmen und endlich einen gesetzlichen Schutz der Netzneutralität auf den Weg bringen.“
In Deutschland verkaufen Telekommunikationsunternehmen Internetzugänge, bei denen relevante Dienste wie VoIP, Instant-Messaging und Peer-to-Peer-Kommunikation per AGB und technische Maßnahmen verboten werden. Solche Produkte sollten nicht als vollwertiger Internetzugang verkauft werden dürfen. Hier sind klare verbraucherfreundliche Regelungen notwendig. „Als Internetzugang sollte nur beworben werden dürfen, wo ein echtes Netz ohne Diskriminierung drin ist“, sagt Markus Beckedahl. „Alles andere ist eine Verbrauchertäuschung.“
Auch der Zusammenschluss der Regulierungsbehörden für Telekommunikation BEREC kam kürzlich in einer europaweiten Studie zum Ergebnis, dass Eingriffe in die Netzneutralität wesentlich häufiger sind als von den Internetprovidern lange Zeit behauptet. Dies hatte die EU-Kommission unter der Federführung der Vizepräsidentin Neelie Kroes lange bestritten und auf Lösungen durch die Marktteilnehmer vertraut. Vergangene Woche kündigte nun die niederländische Liberale Kroes jedoch an, dass sie an einem neuen „Papier“ zur Netzneutralität sitze.
Ebenfalls geregelt wird im neuen niederländischen Telekommunikationsgesetz die Umsetzung der E-Privacy-Richtlinie, die einen verbesserten Datenschutz im Internet vorsieht. Insbesondere die Regelungen zum heimlichen Beobachten von Nutzern ohne deren Wissen und Zustimmung durch die Installation sogenannter Cookies auf deren Rechnern wird durch das Gesetz deutlich erschwert. Die Bundesregierung ist mit der Umsetzung dieser E-Privacy-Richtlinie in deutsches Recht bereits ein Jahr im Verzug.
Der Digitale Gesellschaft e.V. setzt sich im Rahmen der „Echtes Netz„-Kampagne für einen gesetzlichen Schutz der Netzneutralität ein und hat hierfür im Mai 2011 bereits den Vorschlag unterbreitet, einen neuen §89a Nichtanalyse und Nichtunterdrückung in das deutsche Telekommunikationsgesetz (TKG) aufzunehmen.
Was drin steht:
Das niederländische Telekommunikationsgesetz („Telecomwet“) soll sowohl das Blockieren als auch die künstliche Verlangsamung von Datenflüssen untersagen. Dazu werden sogenannte Deep Packet Inspection-Technologien stark reguliert. Diese Technik darf nur unter strengen Voraussetzungen zum Einsatz kommen, oder wenn die Nutzer explizit zugestimmt haben. Außerdem werden die Bedingungen für das Trennen eines Internet-Anschlusses streng limitiert. Das soll nur noch im Betrugsfall oder bei Nichtbezahlen der Rechnung möglich sein. Damit wird 3-Strikes-Modellen zur Kappung des Internetzugangs sowie den auch in Deutschland gängigen AGB-Klauseln, die „bei übermäßiger Nutzung“ von Flatrate-Tarifen ein Sonderkündigungsrecht für den Anbieter vorsehen, ein rechtlicher Riegel vorgeschoben.
Die letzte Hürde nimmt die Netzneutralität am 15. Mai in der “tweede Kamer”, wo noch ein größerer Fehler der bereits beschlossenen Netzneutralitätsregeln ausgebügelt wird. Gratulation an Bits of Freedom, damit bekommen die Niederlande das erste Netzneutralitätsgesetz in Europa, was hoffentlich Signalwirkung haben wird. Deutschland hält sowas ja leider nicht für möglich und verspielt damit ein echtes Netz.
Die zweite Kammer in den Niederlanden heißt ‚tweede kamer‘. Kleiner, aber feiner Unterschied.
Danke für den Hinweis, ist geändert.