Redebeitrag von Markus Beckedahl, dass dieser heute in der Diskussion über Netzneutralität in der Enquete-Kommission Internet & digitale Gesellschaft vorgetragen hat.
Danke für die produktive Arbeitsatmosphäre in der Projektgruppe, an vielen kontroversen Stellen haben wir Kompromisse gefunden, etwa zum Begriff der Diskriminierungsfreiheit, aber auch zur Stärkung der gleichberechtigen Datenübertragung im „Best Effort“. Es gab auch weitgehende Einigkeit hinsichtlich der grundrechtlichen Dimension der Netzneutralität und ihrem Einfluss auf Meinungs- und Kommunikationsfreiheit.
Auf Grundlage der Netzneutralität und dem End-to-End-Prinzip hat sich das Internet als Innovationsmotor für die gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Entwicklung erwiesen. Wahlfreiheit der Entwickler, Anbieter und Nutzer und ein „anwendungsblindes“ Netz sichern niedrigschwelligen Zugang, Vielfalt, Entwicklung und Chancengleichheit. Damit eng verbunden ist das Prinzip des „Best-Effort“-Internets.
Die Offenheit des Internet als Echtes Netz ist darüber hinaus eine wichtige Vorbedingung für die Sicherung von Meinungsvielfalt und Pluralismus. Hierdurch wird kommunikative Chancengleichheit sichergestellt, die ein wichtiges Element der auch verfassungsrechtlich geschützten Kommunikationsfreiheit über das Internet ist. Diese ist durch entsprechende Vorkehrungen zu schützen, da einmal eingetretene negative Entwicklungen nur schwer oder gar nicht rückgängig gemacht werden können.
Mit unserem Alternativtext vertreten wir die Position, nachhaltig sicherzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger das Recht auf einen bezahlbaren Internetzugang erhalten, der frei von Diskriminierung, fair und transparent ist, unabhängig von den verwendeten Anwendungen, technischen Übertragungsprotokollen, Diensten, Inhalten, und ungeachtet des Absenders oder Empfängers. Endkunden erhalten einen Internetzugang, der sie Inhalte ihrer Wahl senden und empfangen lässt, Dienste und Anwendungen ihrer Wahl nutzen lässt, sowie Hardware und Software ihrer Wahl nutzen lässt. Gleiches gilt für Anwendungsentwickler und Inhalteanbieter.
In der gesamten Debatte in der Projektgruppe Netzneutralität schwang immer das Hauptargument mit, dass es Kapazitätsengpässe geben würde. Die Projektgruppe hat dann den Mythos der Kapazitätsengpässe groteils entzaubert, indem wir die großen Anbieter offiziell angefragt und um eine Stellungnahme gebeten. Dabei kam heraus, dass Probleme in Deutschland vor allem auf der letzten Meile gegeben sind, wo durch die limitierte Übertragungskapazität von Kupferkabeln Engpässe möglich sind.
Telekommunikationsunternehmen wollen ein neues Regime der Diensteklassen einführen. Die Etablierung dieser Diensteklassen, zumal mit bevorzugtem Transport gegen Aufpreis, ist für uns kein zukunftsweisender Weg für die Architektur des freien und offenen Internets. Nach einer Einführung dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis Nutzer und Inhalte‐ bzw. Diensteanbieter für die von den Telekommunikationsunternehmen bereits angekündigten „Premiumklassen“ zur Kasse gebeten werden. In der vormals freien Internet‐Welt wird dann die Infrastrukturindustrie entscheiden, welche Inhalte zu welchen Bedingungen zu den Nutzern gelangen. Dieses 2-Klassen Netz mit ungewissen Folgen wollen wir verhindern.
Der Noch-Präsident der Bundesnetzagentur Matthias Kurth erklärte uns in einer Fragestunde, dass seine Behörde nicht für den Mobilfunkbereich zuständig sei. Gerade dort gibt es die meisten bekannten Probleme mit Netzneutralität, dort wird von großen Anbietern Internet verkauft, aber nur ein kastriertes Netz geliefert. Mit unserem Sondervotum plädieren wir dafür, Festnetz und mobiles Netz gleich zu behandeln, so wie es für Nutzer irrelevant ist, ob das Internet aus dem Kabel oder über die Luft aufs Smartphone oder den Rechner kommt.
Wichtig ist für uns auch, dass für die Verbraucher Transparenz geschaffen wird: nur netzneutrale Angebote, also Echtes Netz, soll als „Internetzugang“ vermarktet werden dürfen. Insbesondere mobile Angebote, die nicht auf dem Best Effort-Prinzip beruhen, dürfen allenfalls als „Onlinezugänge“ bezeichnet werden. Wer Internet vorgibt, aber nur funktionsbeschränkte Onlinezugänge liefert, muss dafür durch die Nutzer und Wettbewerber in Regress genommen werden können sowie durch den Regulierer und Wettbewerber für Irreführung mit empfindlichen Strafen belegt werden können.
Wir fordern auch ein Verbot von Deep Packet Inspection Technologien. Jede Form der Deep Packet Inspection muss als Verstoß gegen die Netzneutralität und gegen das Kommunikationsgeheimnis im Grundgesetz interpretiert werden, da hierbei stets der konkrete Inhalt der Datenpakete und die Art des Protokolls oder zusätzlich die Identität des Absenders (Verbindungsdaten) erkundet wird. Das technische Durchleuchten des Inhalts der Kommunikationsdaten mit Methoden der DPI ist abzulehnen und gesetzlich zu untersagen.
Unser Ziel ist nach wie vor die gesetzliche Regelung und Wahrung der Netzneutralität, um ein Echtes Netz zu sichern. Warum warten bis das Kind noch tiefer in Brunnen gefallen ist? Stimmen Sie mit uns für ein Echtes Netz!