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Am 17. Juni 2013 legte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie den Entwurf einer Rechtsverordnung zur Gewährleistung der Netzneutralität vor. Grundlage dieser Rechtsverordnung ist § 41a des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Darin wird die Bundesregierung ermächtigt, grundsätzliche Anforderungen festzulegen, wie eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und der diskriminierungsfreie Zugang zu Inhalten und Anwendungen auszugestalten sind. Die Rechtsverordnung nach § 41a TKG bedarf der Zustimmung des Bundestages und Bundesrates.

Der Digitale Gesellschaft e.V. begrüßt die Absicht der Bundesregierung, nach § 41a TKG aktiv zu werden, um eine Gewährleistung der Netzneutralität in Deutschland sicherzustellen, insofern, als dass eine weitergehende gesetzliche Regelung in der 17. Legislaturperiode nicht mehr möglich ist. Die bereits existierenden Praktiken und aktuelle Bestrebungen der Telekommunikationsnetzbetreiber haben eindrücklich demonstriert, dass die Selbstregulierungskräfte des Marktes hier versagen.

Der vorliegende Entwurf (17. Juni 2013) sieht in Paragraph 1 vier Grundsätze zur „Bewahrung und Sicherstellung eines freien und offenen Internets“ vor:

„1. Die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Datenpakete unabhängig von Inhalt, Dienst, Anwendung, Herkunft oder Ziel (Best-Effort-Prinzip).

2. Ein diskriminierungsfreier, transparenter und offener Zugang zu Inhalten und Anwendungen für alle Endnutzer.

3. Ein diskriminierungsfreier, transparenter und offener Zugang zum Internet für alle Diensteanbieter.

4. Keine Beschränkung des Best-Efforts-Prinzips durch anbietereigene Plattformen oder Dienste.“

Diese Grundsätze begrüßt der Digitale Gesellschaft e. V. ausdrücklich.

Absatz 2 übernimmt sodann die Ziele des §41a TKG:

„(2) Betreiber Öffentlicher Telekommunikationsnetze, die den Zugang zu Endnutzern kontrollieren (Betreiber), sind verpflichtet, eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Anwendungen gemäß den nachfolgenden Vorschriften zu gewährleisten. Die willkürliche Verschlechterung von Diensten oder die ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenver- kehrs in den Telekommunikationsnetzen ist unzulässig.“

Zur Realisierung dieser Grundsätze ist eine „Inhaltsneutrale Datenübermittlung“ vorgesehen, die in § 2 des Entwurfes näher spezifisiert wird. In Absatz 3 erfahren die Grundsätze, wie sie in §1 Absatz 2 aufgeführt sind, Einschränkungen. Darin heißt es:

“(3) Eine inhaltsneutrale an technischen Erfordernissen orientierte Transportklassifizierung (Qualitätsdienstklassen) ist keine willkürliche Verschlechterung von Diensten, solange dem Endnutzer Wahlmöglichkeiten erhalten bleiben. Eine Differenzierung von Entgelten nach Qualitätsdienstklassen ist keine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs.“

Dieser Absatz enthält definitorische Lücken. Das Modell der Qualitätsdienstklassen nimmt im Entwurf eine entscheidene Position ein. Umso überraschender ist es, dass diese Qualitätsdienstklassen nicht näher ausgeführt werden. Soll es diese Qualitätsdienstklassen innerhalb eines Best-Effort-Internets geben? Wer legt diese Qualitätsdienstklassen unter welchen Voraussetzungen fest und wer kann diese unter welchen Bedingungen auswählen? Weiterhin unterbleibt eine Abgrenzung von „Managed Services“ gegenüber Qualitätsdienstklassen, hier ist mehr Klarheit dringend geboten.

Ebenso bleibt unklar, was genau unter die angeführten „technischen Erfordernisse“ fällt und wer diese Erfordernisse definiert. Technische Erfordernisse könnten sowohl den zu erbringenden Dienst als auch das Telekommunikationsnetz adressieren. In beiden Fällen müsste eine technische Notwendigkeit nachgewiesen werden. Der Entwurf macht keine Angabe dazu, wie, durch wen und auf welcher Beurteilungsgrundlage eine solche Notwendigkeit nachzuweisen ist. Zudem bleibt offen, wie eine Orientierung der Qualitätsdienstklassen entlang von technischen Erfordernissen erfolgen soll. Ein solcher Nachweis kann nicht bei den Telekommunikationsnetzbetreibern liegen, die durch die Deklaration von technischen Notwendigkeiten die Möglichkeit erhielten, Qualitätsdienstklassen zu installieren und entsprechende Entgelte zu erheben. Der Digitale Gesellschaft e. V. sieht hierin eine unnötige Hintertür für eine unerwünschte Aufweichung des Prinzips der Netzneutralität.

Abschließend stellt der Digitale Gesellschaft e.V. fest, dass die Grundsätze, wie sie in § 1 des Entwurfs aufgeführt wurden, ebenso begrüßenswert wie allgemein und anschlussfähig formuliert sind. Die angestrebte Implementierung, wie sie dieser Entwurf vorsieht, bietet jedoch erheblichen Interpretationsspielraum. Zudem ist der Entwurf in seiner jetzigen Form vermutlich nicht geeignet, um den Plänen der Deutschen Telekom und anderer Anbieter zur Etablierung von Managed Services als dienstebasierte Anschlüsse (Internet zweiter Klasse) deren Kernprodukt jenseits des Best-Effort-Internet steht, entgegenzutreten.

In Abwägung der hier aufgezeigten Mängel der Verordnung und der Möglichkeit des weiteren Abwartens sowie der grundsätzlichen Skepsis des Digitale Gesellschaft e. V., ob Maßnahmen nach § 41a TKG ausreichen, um eine Netzneutralität in Deutschland nachhaltig zu sichern, kommt der Digitale Gesellschaft e. V. zu dem Schluss, dass trotz erheblicher Bedenken eine Verabschiedung dieser Verordnung unter Berücksichtigung der hier angeführten Kritikpunkte zumindest einen grundsätzlich als Verbesserung zu betrachtenden Ansatz darstellt, dessen Auswirkungen jedoch von Seiten der zuständigen politischen Akteure beobachtet werden müssen. Zudem kann das Vorhaben einer Verordnung problembehaftet sein, da Netzneutralität im TKG als nachrangiges Regulierungsziel betrachtet wird. Der Digitale Gesellschaft e. V. wünscht auch weiterhin eine weitergehende unmittelbar gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität und ein klares Bekenntnis von Politik und Wirtschaft für einen echten breitbandigen Fibre-to-the-Home-Ausbau, der die Diskussion um Flaschenhälse auf der letzten Meile und kapazitätsverknappende Produktgestaltung beenden würde