Der Deutsche Kulturrat hat uns für seine Zeitung „politik und kultur“ um einen Gastbeitrag zur Urheberrechtsdebatte gebeten. Wir haben daraufhin diesen Text geschrieben:

Vom Urheberrecht zum Nutzungsrecht

Das bisherige Konzept von Urheberrecht ist an seinem Ende angekommen. Das liegt zum einen an den Realitäten des Internetzeitalters: Jeder kann kreativ tätig werden, und fast jeder – egal ob hauptberuflich Künstler oder Müllwerker – bedient sich dabei in einem gewissen Rahmen bereits existenter Ideen. Das liegt aber auch, und das schon länger, an den Realitäten des Urhebervertragsrechts: auf der Basis des Urheberrechts haben nicht mehr die Werkschaffenden das Zepter in der Hand, sondern die Verwerter der Rechte. Ob es nun die Verlage, die Musiklabels, die Filmbranche oder andere große Player sind: fast überall erleben wir, dass die Künstler diejenigen sind, die vom Urheberrecht wenig haben, während andere damit satte Gewinne einfahren. Wenn ein wütender Jan Delay heute auf Facebook seinem Ärger Luft macht, dass seine Plattenfirma seine Fans mit aberwitzigen Abmahn-Forderungen überzieht, hat das einen Grund: auch davon profitiert nicht primär der Künstler. Sondern die zwischen ihm und seinen Hörern stehende Wirtschaft und eine Heerschar von Anwälten. Dass dies eine Sackgasse ist, ist allen Beteiligten klar (vielleicht mit Ausnahme der Anwälte). Aber wie könnte ein Ausweg aussehen?

Der wohl wichtigste erste Schritt wäre, die Nutzer im Netz nicht als Feinde sondern als Kunden zu begreifen. Wenn die Künstler morgen alle nichts mehr schaffen können, weil sie kein Geld fürs Brötchen da ist, verstehen das auch die Nutzer. Deshalb müssen endlich einfach nutzbare, legale Angebote geschaffen werden, die nicht von Apple sind. Denn vom iTunes-Geld kommt bei den Künstlern zu wenig an. Nur darf man dabei auch nicht dem Fehlschluss unterliegen, dass die Geldbörse der Nutzer ein Selbstbedienungsladen wäre: die Bereitschaft zu zahlen ist vorhanden, hat aber Grenzen. Spätestens wenn ihnen technisch defekte Dateien verkauft werden, die sie nur einmal anschauen können und bei denen unklar ist, ob sie auf zukünftigen Geräten noch laufen werden, ist die Geduld der Nutzer zu Ende.

Wir brauchen daher dringend eine Reform des Urheberrechts. Es ist unverständlich und komplex geworden und überfordert Nutzer, Kreative und Politiker gleichermaßen. Doch was niemand versteht, ist zum Scheitern verurteilt. Die verwandten Schutzrechte gehören grundsätzlich auf den Prüfstand, da sie nicht in der Lage sind, die eigentlichen Urheber angemessen zu beteiligen. Auch verwaiste Werke können nur genutzt werden, wenn das nicht durch übertriebene Schutzfristen verhindert wird. Und wer ein digitales Werk erwirbt, kann nicht schlechtergestellt werden als bei einem analogen Gut. Das gilt auch für das Recht auf digitale Privatkopie.

Wer am Urheberrecht in seiner alten Form festhalten will, muss sich über die Folgen im Klaren sein: dies ist technisch nur mit extrem repressiven Maßnahmen gegen alle Nutzer des Netzes und digitaler Medien möglich. Dieser Traum mancher Rechteverwerter steht dem entgegen, wofür Künstler seit Jahrzehnten und Jahrhunderten eintreten: einer freien, offenen Gesellschaft. Dass solche Überwachungsgelüste die Menschen weder in die Kinos noch in die Buch- oder CD-Läden treiben, haben wir im letzten Jahrzehnt bereits feststellen dürfen. Es wird Zeit, das einzusehen: Wenn wir das Urheberrecht nicht in absehbarer Zeit neu gestalten und der Zeit anpassen, wird es sich nicht mehr mit verhältnismäßigen Mitteln durchsetzen lassen und an der zunehmenden Inakzeptanz scheitern. Das wäre schlecht für Urheber und Nutzer gleichermaßen.

2 Meinungen zu “Vom Urheberrecht zum Nutzungsrecht

  1. mane sagt:

    klare Zusammenfassung der Probleme, aber:

    „Das liegt zum einen an den Realitäten des Internetzeitalters: Jeder kann kreativ tätig werden, …“
    Kreativ tätig sein konnte jeder auch schon lange vor der Erfindung des Computers

    „und fast jeder – egal ob hauptberuflich Künstler oder Müllwerker – bedient sich dabei in einem gewissen Rahmen bereits existenter Ideen.“
    Auch das hat mit der Realität des Internetzeitalters nicht zu tun, weil auch schon lange so ist.

    • Sylvia sagt:

      Ich würde das nicht allzu dramatisch betrachten. Auf das Urheberrecht hat auch schon Rembrandt gepocht bzw. freie Künstler verklagt. Somit ist diese Diskussion wirklich nicht neu. Er hat trotzdem sein Geld verdient und die Kopisten sich nicht allzu sehr abschrecken lassen.

      Viel interessanter fände ich jedoch mal drüber nachzudenken und zu erklären inwieweit das Urhebrrecht (das ja keiner expliziten Anmeldung bedarf…siehe Gesetzestexte, z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Urheberrecht_%28Deutschland%29#Einzelne_Werkarten) auch vom privaten Nutzer verwendet werden kann. Gehen wir davon aus, dass ich das Urheberrecht an meinen privaten Mails habe. Man könnte diese als literarische Dokumente auslegen, da sie ja in schriftlicher Form vorliegen. Wenn jetzt irgendjemand diese ohne mein Wissen und Einverständnis an welchen Organisationen auch immer weiterleitet und womöglich speichert…sollte ich mich dann nicht arg in meinem Urheberrecht gestört fühlen?

      Und außerdem ist die Abwandlung von geschützten Werken eigentlich nicht unrechtens und versteht sich dann als eigene Kunst (siehe Abs.2). Vielleicht sollten Musikvideos mal als Kunstobjekt betrachtet werden?

      Das ist natürlich alles sehr vage, aber die Auslegung des Urheberrechts ist durchaus spannend. Aber Kunst ist frei und letztlich nicht eingrenzbar. ;)

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