Zur heutigen Bundesratssitzung zum Thema Störerhaftung für WLAN-Betreiber erklärt Lavinia Steiner, stellvertretende Vorsitzende des Vereins Digitale Gesellschaft e. V.: „Der Entschließungsantrag des Bundesrates ist widersprüchlich und halbherzig. Er ist zwar gut gemeint, aber inhaltlich falsch und könnte das Gegenteil von dem bedeuten, was er erreichen will.“

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung beschlossen, den zuständigen Bundesgesetzgeber dazu aufzufordern, Erleichterungen beim Haftungsregime für die Betreiber von WLAN-Zugängen zum Internet im Telemediengesetz zu berücksichtigen. „Grundsätzlich ist die Idee begrüßenswert“, erklärt Lavinia Steiner. Doch wer den Beschluss genau lese, werde feststellen, dass er faktisch sogar eine Verschlechterung des Status Quo zur Folge haben könnte.

Ein erster vom Land Berlin erstellter Textentwurf mit konkreten Gesetzesänderungsvorschlägen wurde im Beratungsprozess der Bundesländer verworfen. Doch auch der nun gefasste Entschließungsantrag ist für den Digitale Gesellschaft e. V. inakzeptabel. „Die Bundesländer fordern eine Sicherungspflicht gegen unbefugte Nutzung und sagen, dass sie die Identifizierbarkeit der Nutzer zur Voraussetzung machen wollen“, so die stellvertretende Vorsitzende des Vereins Digitale Gesellschaft. „Für uns ist klar: wer anderen einen Zugang zum Internet gibt, soll unter keinen Umständen für das haften müssen, was dieser auf der Leitung macht – niemand, ob Telekom, Cafébetreiber oder Privatperson sollte sich die Kommunikation anderer Menschen angucken müssen.“ Dies entspreche auch der europarechtlich maßgeblichen E-Commerce-Richtlinie, auf die die Haftungsprivilegierung für Internetzugangsanbieter zurückgeht.

Erst ein überraschendes Urteil des Bundesgerichtshof („Sommer unseres Lebens“-Urteil vom Mai 2010) hatte die Debatte ausgelöst. Darin wurde eine Anschlussinhaberin für Dateien haftbar gemacht, die über ein von ihr unabsichtlich geteiltes WLAN angeboten wurden. Daraufhin hatte der Digitale Gesellschaft e.V. im Sommer 2012 einen einfachen Gesetzesentwurf vorgestellt, der die durch das BGH-Urteil entstandene Unsicherheit eindeutig und ohne verbleibende Interpretationsspielräume ausräumt.

Der Gesetzesvorschlag für eine Änderung des Telemediengesetzes:
https://digitalegesellschaft.de/portfolio-items/storerhaftung-beseitigen/

Zur Bundesratsentschließung:
http://www.bundesrat.de/cln_236/nn_6898/DE/parlamentsmaterial/to-plenum/901-sitzung/to-node.html?__nnn=true

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3 Meinungen zu “Bundesrat bei WLAN-Haftung: Widersprüchlich und halbherzig

  1. Wolfgang Ksoll sagt:

    Es ist ja noch schlimmer. Obwohl die Digitale Gesellschaft einen brauchbaren Gesetzentwurf vorgelegt hat, würgt die SPD seit Jahren herum. Man hat auf dem Parteitag mit Mehrheit sich für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen, die man jetzt auch noch privaten WLAN-Betreibern aufzwingen will.

    Es wird nicht mal für nötig gehalten, warum man sich von der internationalen Gemeinschaft mit einer deutschnationalen Sonderbehandlung abkoppeln will. Man kann diesen deutschnationalen Irrsinn (der offenbar in der Tradition des großen Lauschangriffes von Otto Schily steht, der auch das eheliche Schlafzimmer enthemmt belauschen lässt) am Besten an unseren NATO-Verbündeten USA ausmachen. In New York City hat Bürgermeister Bloomberg dafür gesorgt, dass die New York Bürger anonym und kostenlos ohne getrackt zu werden sogar in den Parks WLAN-Access haben. Dort heisst es dann:

    „To connect to the internet through one of the free AT&T Wi-Fi access points in parks, simply look for and select the network name “attwifi” in the list of networks in your device’s Wi-Fi settings screen. That’s it – no username or password is required.“
    http://www.nycgovparks.org/highlights/places-to-go/wi-fi

    Vor Gericht heisst es bei unserem NATO-Partner explizit:
    „No Duty to Secure Wi-Fi from BitTorrent Pirates, Judge Rules“

    http://torrentfreak.com/no-duty-to-secure-wi-fi-from-bittorrent-pirates-judge-rules-120912/

    Die SPD hält es nicht mal für nötig zu begründen (auch auf Nachfragen), warum wir uns deutschnational aus dieser Wertegemeinschaft auskoppeln sollen. Der Stasi-Schnüffelwahn ist offenbar stärker als das transatlantische Wertegefüge. Heute bekommen wir als EU einen Nobelpreis udn die SPD wil deutschnationale Sonderwege beschreiten. Absurd und globaliserungsfeindlich und garantiert nicht nobelpreisfähig (wie bei den anderen Preisen: die gehen nach USA und F und in Berlin werden die Landeskinder durch absurde Numeri Clausi aus den Universitäten ausgesperrt, armselig aber nicht sexy).

    Absurd ist weiter die Aushebelung der Gewaltenteilung. In der Verfassung heisst es:
    „(1) Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht.“

    Anstatt jetzt als Legislative einen Gesetzesvorschlag zu machen, fragt man als erstes die Exekutive (Justizministerkonferenz) und bittet man die Exekutive die Aufgaben des Gesetzgebers zu übernehmen. Totalkapitulation des Bundesrates. Geht’s noch? Man macht doch den Bock zum Gärtner, wenn man die Bedenkenträger und Verhinderer der Exekutive Gesetze erstellen lässt. Hier geraten die Checks and Balances aus den Fugen. Zumal ja ein guter Vorschlag längst vorliegt, der uns kompatibel machen würde zu unseren NATO-Verbündeten, anstatt Europa und transnationale Wertegemeinschaften durch nationale Alleingänge zu zersetzen.

    Ich bin mir nicht sicher, dass es bei solcher mangelhaften Wertekomptabilität zu unseren Befreiern noch lohnt, auf Gesetze zu warten. Wahrscheinlich ist es zielführender WLANs über der den Freifunk anzuschließen, die dann über VPN erst im freien Ausland an das Internet anschließen wie zum Beispiel über Schweden oder Slowenien.

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