Anfang August baten wir sechs Berliner Parteien um Stellungnahmen zu einem Bündel Fragen hinsichtlich ihrer Pläne in Sachen Open Data. SPD, Grüne, Linke, Piraten und FDP schickten Antworten – vielen Dank dafür! Die Berliner CDU reagierte nicht.

Im Folgenden eine Zusammenfassung der Antworten; hier eine tabellarische Nebeneinanderstellung der Fragen als pdf und doc. Die Links auf die Originalantworten der Parteien finden sich unten.

Alle fünf Parteien bekennen sich in unterschiedlichen Graden zu den Prinzipien von Open Data und Open Government. So will sich jede Partei bei einer Regierungsbeteiligung über den Bundesrat für Open Data auf Bundesebene einsetzen. Ein Überblick:

SPD

Die aktuelle Regierungspartei der Koalition im Land Berlin, die SPD, weist darauf hin, dass unter ihrer Ägide der Berliner Open Data Day als auch der am 14. September startende Open-Data-Katalog auf den Weg gebracht wurde. Sie erinnert auch an die mit der „Open-Data-Community“ erarbeitete Berliner Open-Data-Agenda. In den kommenden Koalitionsverhandlungen wolle man sich für „ausreichende Mittel“ einsetzen, um die „Verwirklichung und Erweiterung“ des Katalogs zu gewährleisten.

In der Regel will die SPD die offenen Datensätze der Stadt unter die Creative Commons CC-BY-SA 3.0 – Lizenz (Namensnennung mit Weitergabe gleicher Bedingungen) stellen. Dabei befürtwortet sie eine „weitgehende Offenlegung von öffentlichen Daten“. Etwa sollen nicht nur die Daten des aktuellen öffentlichen Verkehrs online stehen sondern auch die Auftragnehmer des kommunalen und regionalen Verkehrs, die nicht in Landesbesitz sind, „im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten verpflichtet werden, ihre Daten in gleicher Weise zu veröffentlichen.“

Hinsichtlich der Fortbildung von Verwaltungsangestellten verweisen die Sozialdemokraten auf „entsprechende IT-Government-Kurse“ an der Verwaltungsakademie des Landes. Weiter heißt es: „Die bereits vorhandenen IT-Beauftragten der Verwaltungen wollen wir zu Open-Data-Verantwortlichen weiterbilden.“

Open Data und transparente Verwaltung sollen einen angemessenen Platz im Lehrauftrag der politischen Bildung erhalten; dies solle auch generell Teil der Medienkompetenz werden, die an Schulen und Volkshochschulen eine „verbesserte Vermittlung“ erfahren soll. Zudem soll es Teil der „Ausbildung zukünftiger Mitarbeiter“ der Verwaltung werden.

Das für bereits sehr fortschrittlich gehaltene, 2010 reformierte, Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Landes Berlin solle um „pro-aktive Elemente“ ergänzt werden (also die Veröffentlichung von Informationen ohne dass eine IFG -Anfrage nötig wäre – „push statt pull“.) Dafür will sich die SPD mit „dem Koalitionspartner, Fachpolitikern anderer Bundesländer, Bündnissen der Zivilgesellschaft sowie dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit“ abstimmen.

Bündnis 90/Die Grünen

Die Berliner Grünen „wollen einen Paradigmenwechsel in der Informationsfreiheit.“ Gleich zu Anfang der kommenden Legislaturperiode solle das Berliner IFG entsprechend ergänzt werden. Im Prinzip begrüße man die im Mai diesen Jahres vorgelegten Grundsätze der Berliner Open-Data-Agenda. Allerdings sei in vielem, was bisher in Berlin unter dem Label „Open Data“ vorgestellt wurde, „noch nicht wirklich Open Data drin“. Man wolle auf eine verbindliche Umsetzung drängen, vordringliche inhaltliche Schwerpunkte klären und die Nutzungsbedingungen für Open Data „unmissverständlich klären.“ In diesem Sinne müsse Verwaltungshandeln mit den vorhandenen Personal- und Sachressourcen so ausgerichtet werden, dass die Open-Data-Grundsätze in „Verbindung mit einem standardisierten Dokumentenmanagement und einer modernen IT-Strategie erfüllt werden können“.

Hinsichtlich von Standards für Open Data sehen die Berliner Grünen die „Bundesregierung und das Innenministerium in der Pflicht, hier einheitliche Empfehlungen abzugeben, die mit den deutschen Informationsfreiheitsgesetzen kompatibel sind“. Soweit wie möglich sollen Datensätze vollständig, regelmässig und ggf. in Echtzeit veröffentlich werden.

Eine „Open-Data-Offensive“ könne laut Grüne nur greifen, wenn ein „Kulturwandel in der Verwaltung von der Führungsspitze bis zu den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern befördert“ wird. Fortbildungen könnten aus dem üblichen Fortbildungsetat finanziert werden; gleichzeitig müsste eine nach innen gerichtete Informationskampagne gestartet werden.

Eine konkrete Lizenzempfehlung haben die Berliner Grünen nicht, die Existenz von Creative Commons Lizenzen wird begrüsst, im Falle einer Open Data Politik müsse man aber “aufgrund der Spezifika jeweiliger Datensätze zusammen mit der Verwaltung für den jeweiligen Anwendungsfall die optimale Lizenz” ermitteln. Zugleich sehe man “die Bundesregierung und das Innenministerium in der Pflicht, hier einheitliche Empfehlungen abzugeben, die mit den deutschen Informationsfreiheitsgesetzen kompatibel sind”.

In Sachen Medienkompetenz sehen die Grünen nicht nur die klassischen Bildungseinrichtungen in der Pflicht, sondern auch die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg. Zudem wolle man mit Open Educational Ressources (OER) Lerninhalte auf offene und freie Formate umstellen.

Um Daten und Informationen pro-aktiv veröffentlicht zu sehen, würden die Grünen eine Überarbeitung des IFG mit „einem neu zu erstellenden E-Government-Gesetz und der Aktualisierung der Gemeinsamem Geschäftsordnung des Landes Berlin (GGO)“ verknüfpen. Allerdings rechne man mit „Widerständen bei möglichen Koalitionspartnern und innerhalb von Teilen der Verwaltung“. Ohne diese Widerstände könnten der angestrebte „Paradigmenwechsel“ bis Mitte 2012 machbar sein.

Die Linke

Die Linke, derzeit die kleine Koalitionspartnerin in Berlin, setzt auf „Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit“. Sie will Datenbestände der Verwaltung in einer „BerlinCityCloud“ zusammenführen. Als nächsten Schritt notwendigen Schritt sieht die Linke die „Entwicklung und Beschluss eines ressortübergreifenden strategischen und organisatorischen Konzepts zu Open Data“. Eine genaue Angabe der benötigten Geldmittel für solche Maßnahmen sei schlecht pauschal zu beziffern.

Die Linke will einen Leitfaden für alle Beteiligten entwickeln, zu dem parallel „kleine Erprobungsprojekte zur Verifizierung von technischen, rechtlichen und organisatorischen Anforderungen“ laufen. Auch wird auf die Zusammenarbeit mit vier weiteren Städten (Barcelona, Paris, Helsinki, Amsterdam) im EU-Projekt »Open Cities« verwiesen.

Die Frage, welche Lizenzen für Open Data angebracht sind, will die Linke in „enger Abstimmung mit den Prozessen und Debatten, die bundes- und europaweit zum Thema geführt werden“ entscheiden. Priorität in der Veröffentlichung sollen diejenigen Daten haben, „die gesellschaftliche Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger stärken“ schreibt die Linke: Etwa Daten zur Stadtplanung und Baugeschehen, Bürgerhaushalte, Verwaltung, Umwelt. Angestrebt werde eine „Veröffentlichung der Daten in Vollständigkeit aus Primärquellen und – wo vorhanden – in Echtzeit.“ Wie bei der SPD wird auch noch auf die Berliner Open Data Agenda verwiesen.

Auch die Linke hält die Landesverwaltungsakademie für den richtigen Ort, Fortbildungen „in enger Abstimmung mit den Spezialisten für Open Data“ durchzuführen. Hinsichtlich Medienbildung im allgemeinen verweist die Regierungspartei auf den “eEducation Masterplan Berlin”, der in den Schulen den „Einsatz von digitalen Medien weiterhin konsolidieren“ soll.

Das 2010 reformierte Landesinformationsfreiheitsgesetz setzte laut der Linke „neue Maßstäbe bei der Offenlegung von Privatisierungsverträgen gesetzt. Die müssten nun „ausnahmslos offengelegt werden.“ Eine Weiterentwicklung des IFG ähnlich dem in Bremen halte man für sinnvoll.

Piraten

Die Berliner Piratenpartei sehen Transparenz als „Pflicht des Landes Berlin“ an. Mehr oder minder jeder Amtsvorgang solle offengelegt werden. Das gelte auch für alte Verträge bei denen dies nachverhandelt werden müsse. Sitzungen sollten nur im Ausnahmefall nicht öffentlich sein und ansonsten live übertragen werden. Alle steuerfinanzierten Werke müssten jedem zugänglich sein, meinen die Piraten. „Wir werden Transparenz leben“ kündigen die Piraten an und wollen sich im Abgeordnetenhaus einsetzen, dass genügend Mittel für Open Data zur Verfügung stehen.

Als einzig sinnvollen Lizenztyp für Open Data sehen die Piraten die “Domain Dedication and License” (PDDL) http://opendatacommons.org/licenses/pddl/ an. Allerdings müsste noch geklärt werden, inwiefern sie wegen des unveräußerlichen Urheberpersönlichkeitsrechts in Deutschland verwendet werden könne. Eine Priorisierung der Veröffentlichungen lehnen die Piraten ab; alles, außer personenbezogen Daten, soll sofort veröffentlicht werden.

Transparenz sei keine Anordnung, so die Piraten. Deswegen müsse innerhalb der nächsten Legislaturperiode flexible Fortbildungsangebote für Verwaltungsmitarbeiter geben. Die sollen selber erkennen, dass der freie Zugang zu öffentliche Daten „ihnen die Arbeit erleichtert und notwendiges Vertrauen der Bürger in Politik und Verwaltung gewährleistet“. Generell treten die Piraten im Bildungsbereich dafür ein, Unterrichtsmaterialien unter einer freien Lizenz zugänglich zu machen.

Das Bremer Informationsfreiheitsgesetz sei zwar ein Fortschritt, meinen die Piraten, würde aber noch diverse Einschränkungen enthalten: Etwa gebe es weiterhin Antragspflicht und Fristen. Die Piraten dagegen wollen eine „aktive Informationspolitik“ und sehen die Verwaltung dazu in einer „Bringschuld“.

FDP

Die Berliner FDP setzt sich für den Ausbau einer eGovernment – Plattform ein, die Bürgern und Unternehmen effizienter mit der Verwaltung interagieren lässt. Einige Fragen zu Open Data seien allerdings nicht geklärt – Etwa ob „gewerbliche Nutzer Dienste aus diesen Daten generieren können“. Die Finanzierung der nötigen technischen Investitionen unterstütze man; zusätzliches Personal müsse dann aber ggf. an anderer Stelle eingespart werden.

Open Data der Stadt will die FDP nur unter verschiedenen Bedingungen bereit stellen. Die würden daher „nur teilweise frei verfüg- und verwendbar sein.“

Verwaltungsmodernisierungprozesse seien in der Vergangenheit oft nur mit Verzögerungen umgesetzt worden, da „ einige Behörden die Umsetzung verlangsamten“. Dies will die FDP durch frühzeitige Beteiligung und Information der Beteiligten entgegenwirken – man müsse Mitarbeiter für eine transparente Verwaltung gewinnen. Insgesamt gehöre im Bildungsbereich das Thema frei verwendbare Daten „als Querschnittsthema in alle Schulfächer“. Eine „möglichst herstellerunabhängige Grundlagenschulung in den Bildungseinrichtungen“ sei zu fördern.

In Sachen Informationsfreiheitsgesetz sieht die FDP eine Pflicht der Behörden, diese ohne Aufforderung von sich aus offen zu legen, nur dann für sinnvoll, wenn ein erhebliches öffentliches Interesse bestünde. „Darüber hinausgehende Veröffentlichungspflichten stehen in keinem Verhältnis zum zusätzlichen Aufwand“, so die FDP.

Fazit

Egal wie die Wahl ausgeht: Berlin stehen hinsichtlich Open Data recht gute Zeiten bevor. In allen Parteien, außer der CDU, scheint das Thema bekannt zu sein und eine Rolle zu spielen. Bleibt abzuwarten, ob den Worten Taten folgen – vor allem wie schnell und in welchem Umfang. Wir sind gespannt und bleiben am Thema dran.

Für den Open-Data-Bereich der Digitalen Gesellschaft,
Lorenz Matzat

Einige Parteien haben die Antworten auch auf ihren Seiten veröffentlicht, hier finden Sie die Links:

SPD
Grüne (PDF)
Linke
Piraten

Wir möchten auch noch auf die Wahlprüfsteine von Wikimedia zur Wahl in Berlin hinweisen.

Eine Meinung zu “Auswertung Open Data – Wahlprüfsteine – Berlin 2011

  1. Gast sagt:

    Zumindest auf die erste Frage haben die Piraten laut „BlaBlaMeter“ noch am besten geantwortet – die anderen Antworten habe ich nicht getestet. (www.blablameter.de)

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